Ein afrikanisches Märchen

Wort zum Tage
Ein afrikanisches Märchen
16.04.2015 - 06:23
30.03.2015
Pastor i.R. Dietrich Heyde

Ein afrikanisches Märchen erzählt von einem jungen Palmbaum. Der stand am Rande einer Oase inmitten der Wüste und trug schwer an seinem jungen Leben. Ein Stein hatte seine Krone beschwert. Der schmerzte und behinderte ihn Tag für Tag. Wie ist nur der Stein in meine Krone gelangt? fragte er sich immer wieder und suchte nach einer Erklärung, konnte aber keine finden. Und stumm blieb ihm auch der Himmel auf all sein Fragen nach Wie und Warum? Ein böser Feind hat es getan, sagte er sich schließlich und bot alle Kräfte auf, seine Last los zu werden. Doch vergeblich. So sehr er sich auch bemühte und anstrengte, es gelang ihm nicht. Wie festgewachsen schien der Stein in seiner Krone.

 

Eines Morgens jedoch erwachte der Palmbaum und ein sanftes Säuseln durchwehte seine Krone. „Es ist nur der Wind“, sagte er sich. Doch etwas war anders an diesem Morgen. Denn als er seine großen Blätter zum Himmel aufhob und flehentlich bat, von der Last des Steins befreit zu werden, da hörte er eine Stimme. Die war wie ein Jahrtausend altes Echo auf einen uralten Schmerz und sprach: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2.Korinther 12,9)

„In den Schwachen mächtig?“ wiederholte der Palmbaum leise für sich und spürte, wie ihn diese Worte durchströmten von der Krone bis zu den Wurzeln. Und plötzlich wurde ihm bewusst:

Du kannst den Schmerz annehmen, ja, besiegen – nicht aus dir selbst, wohl aber in der Kraft dessen, der in den Schwachen mächtig ist. Ihm musst du Raum geben. Er hat dich an den Ort deiner Schwachheit gebracht. Nicht aus bösem, sondern aus allerbestem Willen. Nämlich um mächtig in dir zu sein.

Betrachte darum den Stein nicht länger als deinen Feind. Bejahe, was dir auferlegt ist. Und nimm dich selbst an, wie du jetzt dran bist. So beginnt alle Veränderung. Und sei nur gewiss: Am Ende wird dich die Last stark machen und sich der Schmerz in Freude verwandeln.

 

Mit diesen Gedanken senkte der Palmbaum seine Wurzeln so tief ins Erdreich, dass sie die verborgene Wasserader der Oase erreichten; und stemmte zugleich den Stein so hoch, dass seine Krone über jeden Schatten hinausreichte.

So machten die Wasser der Tiefe und die Sonnenglut aus der Höhe aus dem jungen Baum eine königliche Palme, die an der Last des Steins gewachsen und zur Reife gekommen war.

30.03.2015
Pastor i.R. Dietrich Heyde