Ein Mann wie ein Wunder

Wort zum Tage
Ein Mann wie ein Wunder
04.09.2015 - 06:23
25.06.2015
Pfarrer Michael Becker

Ein Mann wie ein Wunder. Erst wird er Pfarrer, dann Arzt, dann geht er in den Urwald: Albert Schweitzer (1875 – 1965). Und Orgel spielt er auch noch. Heute vor 50 Jahren ist er gestorben. Neunzig Jahre ist er da und weltberühmt. Friedensnobelpreisträger. Herrlicher Schnurrbart. Mit dreißig, hat er sich gesagt, spätestens mit dreißig will ich etwas tun für die Menschheit. Ein Mann wie ein Wunder. Direkt vom Himmel gekommen, könnte man sagen. Als ich klein war, wollte ich wie Albert Schweitzer werden. Pfarrer und Arzt. Geschafft habe ich’s nicht. Noch nicht einmal zu so einem Schnurrbart habe ich’s gebracht, geschweige denn zum Orgel spielen. Viele Ärzte wollen wie Schweitzer werden. Viele Pfarrer auch. Aber wer schafft das schon? Er bleibt ein Vorbild.

 

Vorbilder sind zweischneidig. Man möchte werden wie sie. Aber kaum jemand schafft es. Man kann das nicht wollen. Albert Schweitzer ist kein Etikett, das man sich aufkleben kann: Schaut her, ich bin wie er. Das wäre nur peinlich. Das wäre selbst Schweitzer peinlich. Er ist nicht gerne Vorbild. Er will etwas anderes. Es kommt nicht darauf an, hat er gesagt, was wir äußerlich in der Welt leisten. Es kommt aber darauf an, was wir menschlich geben, in allen Lagen.

 

Das ist es. Ich kann nicht noch Arzt werden. Ich kann nicht in den Urwald. Da fehlt mir zu viel. Mut vielleicht. Oder Ausdauer. Aber ich brauche es auch nicht. Es gibt nur einen Albert Schweitzer. Ich kann aber anderes. Menschlich sein nämlich. Freundlich, mitfühlend, ehrfürchtig. Das kann ich. Von einem Vorbild kann ich lernen, auch wenn mir kein dicker Schnurrbart wächst. Es geht nicht ums Außen, es geht ums Innen. Es gibt Menschen, die können nichts leisten, äußerlich. Sie sind krank oder traurig. Ihre Sinne sind verwirrt. Oder Menschen, die leisten Alltägliches wie der die Hausärztin, der Pfleger. Egal, was einer leistet. Ums Außen geht es nicht. Es geht ums Innen. Ums Herz also. Das soll menschlich sein. Möglichst immer. Es soll in Menschen den Bruder sehen und die Schwester, möglichst oft. Soll die Angst spüren und die Trauer. Und ehrfürchtig sein vor Gott. Immer. Überall. Wie Schweitzer. Das wär’s schon. Solche Menschen sind ein Wunder. Wie vom Himmel gekommen.

25.06.2015
Pfarrer Michael Becker