Ein Nein, das nach Ja schmeckt

Wort zum Tage
Ein Nein, das nach Ja schmeckt
29.03.2017 - 06:20
27.03.2017
Pfarrerin Christina-Maria Bammel

Über manche Bitte, die Gott zu hören bekommt, muss selbst er wahrscheinlich etwas nachdenken. Dom Helder Camara etwa, ein berühmter brasilianischer Bischof, hat einmal gebetet: „Herr, lehre mich ein Nein zu sagen, das nach Ja schmeckt.“ Was ist ein Nein, das nach Ja schmeckt – ein inkonsequentes Nein, ein Jein, ein vielleicht ja doch? Eine Doppelbotschaft, die was anderes sagt, als sie meint? Es ist nicht leicht, mit Doppelbotschaften umzugehen. (Gott käme auch damit sicherlich zurecht.) Doch das Nein, um das der einstige Bischof betete, war ein klares und eindeutiges Nein. Gemeint war ein Nein gegen elende Lebensverhältnisse, gegen Zustände, in denen Kinder verhungerten oder von ihren Eltern verkauft wurden. Ein Nein gegen systematische Angstmache und gegen folternde Militärs, ein Nein gegen Straßenterror und ständig neue Entführungen. Ein Nein gegen das Verschwinden von Menschen. Ein Nein – gesagt an alle, die auf Kosten und auf dem Rücken anderer leben. Das Südamerika von vor über 40 Jahren, das Helder Camara vor Augen hatte, es braucht noch immer dieses Gebet: Lehre mich dagegen zu stehen und Nein zu sagen, Herr. Ein protestierendes Nein hatte seinen Preis. Wer es sprach, lebte gefährlich. Auch das ist nichts Neues. Wir müssen nicht bis nach Südamerika schauen, um zu wissen: Ein mutiges Nein gegen Alleinherrschaftsallüren einzelner Präsidenten kann Berufs- und Heimatverlust oder Gefängnis bedeuten. Woher dann die Kraft für das entschiedene Nein? Wer lernt, mutig Nein zu sagen, wo Freiheit, Würde und Menschlichkeit in Gefahr sind, braucht standfesten Grund unter sich. Ein Ja kann so ein standfester Grund sein. So wie das Ja von Eltern zu ihren Kindern festen Grund gibt, so gibt es noch ein anderes, ein weitaus größeres Ja. Dieses Ja geht meinen eigenen Erkenntnissen, Worten und allem, was ich erlebe, schon voraus. Auch wenn ich es nicht direkt gehört oder erfahren habe, gehe ich doch davon aus, ich habe es regelrecht eingeatmet mit meinem ersten Atemzug. Es ist das Ja Gottes zu mir. Es ist auch das Ja Gottes zu dieser wunderbaren Welt, die immer wieder bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird. Diese Welt schmeckt noch immer nach Gottes Ja. Jedes geglückte Gespräch, jedes geborene Kind, jede Mondnacht, jeder Frühlingsmorgen hat einen Geschmack vom freundlichen Ja Gottes zu dieser Welt, zu ihren mit sich selbst und mit anderen überkreuz liegenden Menschen. Jeder sterbende Mensch, der der gut begleitet ist, jedes Paar, das wieder neu Worte füreinander findet, klingt nach diesem Ja Gottes für seine Geschöpfe und für seine Welt. Dieses Ja schimmert durch wie die Morgensonne hinter Gardinen. Das Ja zu mir und zu diesem Tag ist gesprochen; es hilft mir, in den richtigen Augenblicken auch Nein zu sagen.

27.03.2017
Pfarrerin Christina-Maria Bammel