Ein Traum von Frühling

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Jack Blueberry

Ein Traum von Frühling
mit Christina-Maria Bammel
17.12.2021 - 06:20
15.09.2021
Christina-Maria Bammel
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Ein adventlicher Augenblick, das ist wie ein Frühlingsföhn von irgendwo her, obwohl doch alle Knochen vor kriechender Kälte ganz klamm geworden waren. Wie ein warmer Strom. Das ist ein Adventsbild vom sehnlich Erwünschten und das nimmt Gestalt an. In tief katastrophalen Zeiten, als die Menschen die Tage zu bestehen suchten zwischen Trauma und Trotz, da meldete sich ein Prophet zu Wort mit seinen Sehnsuchtsbildern. Sein Name war Ezechiel. Er lebte zu einer Zeit, als viele Menschen aus Israel ins ferne, fremde Babylon deportiert worden waren. Ezechiel ist einer von ihnen. Niemand kann die trostlosen Verhältnisse, den Terror im Herzen der Verschleppten, von heute auf morgen ändern. Das weiß er. Zu tief sitzt der Verlust  allen in den Knochen. Da schreibt der Prophet Ezechiel, dass er auf den verlorenen Hügeln Israels schon jetzt mehr sehen kann als die aktuelle Verwüstung. Er erkennt die Chance auf neues Grün! Kein Dorf, keine Stadt wird dann mehr im Chaos versunken sein, sondern alle leben geordnet in friedlichen Verhältnissen. Man wird sich aufeinander verlassen können. Der Prophet nennt das „sicheres Wohnen“. Und der Segen dieser neuen Zeit wird erkennbar Spuren setzen: Es wird genug für alle geben, genug Regen, genug Früchte, genug Ertrag. Friede, Freude, Frühling? Wie soll das gehen? Ich bin sicher, das werden die ersten Fragen an Ezechiel gewesen sein. Vielleicht auch seine eigenen, in anderen Momenten. Trotzdem. Dem Trübsinn in den Herzen nicht das letzte Wort lassen! Das war der heilige Trotz des Propheten. Gott sei Dank! Denn so sind Hoffnungsbilder entstanden, die durch das Exil, durch viele Generationen bis in die Gegenwart hinein getragen haben. Gerade richtig für die Advents- und Weihnachtszeit. Advent ist auch so ein Traum von einem neuen Frühling. Vor zehn Jahren, am 17. Dezember 2011, da wollte ein junger Gemüsehändler in Tunesien ein autoritäres Willkür-Regime von korrupten Herrschern nicht mehr länger hinnehmen: Mohamed Bouazizi. Er konnte so nicht mehr weiterleben, hatte unter Demütigung und Erpressungen alle Hoffnung drangegeben. In einem Akt der Verzweiflung hat er sich selbst angezündet. Seine Tat und sein Tod einige Tage später, die wurden zum Auslöser einer Revolution: des arabischen Frühlings. Mohamed Bouazizi wurde posthum geehrt, auch mit dem Sacharow-Preis. Selbst wenn dieser Anfang, die Tat des Gemüsehändlers und viele tapfere Taten unzähliger Menschen am Ende nicht zu dem Ersehnten wurden, nicht Friede, Freude, Frühling gebracht haben - eins blieb: Stärker als Willkür und erlittenes Unrecht war die Sehnsucht nach einem auskömmlichen, sicheren Leben in Gerechtigkeit und Frieden. Auch das ist Advent.

Es gilt das gesprochene Wort.

15.09.2021
Christina-Maria Bammel