Einfach mal wegschauen!

Wort zum Tage
Einfach mal wegschauen!
24.05.2017 - 06:20
23.05.2017
Pfarrer Jörg Machel

Mit ei­nem Dut­zend Kon­fir­man­den wa­ren wir übers Wo­chen­en­de in der Bran­den­bur­ger Pro­vinz un­ter­wegs. Wald­spa­zier­gän­ge, Ba­den im See, Groß­ein­kauf im Dor­fla­den, Ei­ses­sen im Wald­gast­hof, eine schö­ne Aus­zeit von der Groß­stadthek­tik.

 

Schnell war die Zeit vor­bei und wir zo­gen in klei­nen Grüpp­chen zur Bus­hal­te­stel­le. Ein schlak­si­ger Jun­ge, nur we­nig äl­ter als mei­ne Kon­fir­man­den, kam uns ent­ge­gen und ein paar Jun­gen aus un­se­rer Grup­pe kom­men­tier­ten sei­nen Gang, sein Aus­se­hen und fühl­ten sich sehr über­le­gen. „Das wird be­stimmt der Dorf­dö­del sein“, lä­ster­te ei­ner mei­ner Kon­fir­man­den. Mit ei­ner trot­zi­gen Be­mer­kung wehr­te sich der Jun­ge ge­gen die An­ma­che und zog wei­ter.

 

Als wir zehn Mi­nu­ten spä­ter an der Bus­hal­te­stel­le an­ka­men, er­war­te­te uns die­ser Jun­ge und in klei­nem Ab­stand sa­ßen vier sei­ner Freun­de in ei­nem of­fe­nen Jeep und freu­ten sich auf die kom­men­den Er­eig­nis­se. Al­les ziel­te auf Kra­wall.

 

Ich leg­te ein paar Schrit­te zu, um ein­zu­grei­fen, wenn sich die Ge­waltspi­ra­le in Gang setzt. Der Jun­ge hat­te sich be­reits breit­bei­nig vor dem Lä­ster­maul auf­ge­baut und frag­te pro­vo­kant: „Wer ist hier jetzt der Dorf­dö­del?“ Mein Kon­fir­mand sag­te erst­mal nichts, ver­such­te im­mer­hin dem Blick des Jun­gen stand­zu­hal­ten, aber man sah ihm sei­ne Angst an.

 

Eine kur­ze Zeit stand ich still da­bei, um den Kon­fir­man­den zu er­mu­ti­gen, sich nun zu ent­schul­di­gen. Doch so weit war er noch nicht. Also wand­te ich mich an den Jun­gen und lob­te ihn, dass er sich be­reits ge­gen die Be­lei­di­gung ge­wehrt hat­te, als er noch ganz al­lein war. Das war sehr mu­tig, sag­te ich vol­ler Respekt. Jetzt mit vier Freun­den im Rüc­ken ist das schon nicht mehr so be­ein­druc­kend. Aber es bliebe da­bei, er sei im Recht und habe An­spruch auf eine Ent­schul­di­gung. Und die soll er auch be­kom­men. Und nun sprach ich mei­nem Kon­fir­man­den eine Ent­schul­di­gung vor und ver­lang­te, dass er sie nach­spricht. Und das tat er nach leich­tem Zö­gern.

 

Doch der Kampf mit den Au­gen ging zwi­schen den bei­den wei­ter. Und so in­ter­ve­nier­te ich auch da. „Du hast dich ent­schul­digt, weil du den Jun­gen be­lei­digt hast und jetzt dreh dich bit­te um.“ „Das war´s“, sag­te ich zu dem Jun­gen, „du kannst zu dei­nen Freun­den zu­rück­ge­hen. Du hast dei­ne Ge­nug­tu­ung be­kom­men. Das muss rei­chen, eine Prü­ge­lei gibt es nicht. Aber meine Hochachtung, dass du dir nichts ge­fal­len lässt, auch dann nicht, wenn die an­de­ren in der Über­zahl sind.“ Es war fas­zi­nie­rend, was sich in den Blic­ken zwi­schen den bei­den abgespielt hatte. Am Ende war die Ka­pi­tu­la­ti­on mit den Au­gen wohl genau so wich­tig wie die Wor­te der Ent­schul­di­gung.

 

Du siehst mich - das Mot­to des heu­te be­gin­nen­den Kir­chen­ta­ges hat vie­le Fa­cetten.

23.05.2017
Pfarrer Jörg Machel