Endlich kommt Papa

Wort zum Tage
Endlich kommt Papa
07.05.2018 - 06:20
07.03.2018
Michael Becker
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Endlich kommt Papa. Das Kind weiß es und tippelt schon viele Minuten von einem Bein aufs andere. Schaut hierhin und dorthin, sogar nach oben. Die Oma hat Mühe, das Kind noch ein wenig ruhig zu halten. Das Kleidchen flattert im Wind. Immer wieder schaut das Kind erst in die eine Richtung, dann in die andere, biegt seinen Körper und stellt sich sogar auf Zehenspitzen, um bloß nichts zu verpassen. Den einen Moment nicht. Dann ist er da: Endlich kommt Papa. Das Kind sieht ihn von weitem. Es gibt jetzt kein Halten mehr. Nur rennen. Auch der Papa rennt, nämlich dem Kind entgegen. Mitten auf dem großen Platz voller Menschen und Autos und Bussen fallen sie sich um den Hals. Das Kind streckt sich, Papa muss sich bücken. Beide umschlingen einander; haben sich wieder. Die Oma hat sich die ganze Zeit kaum bewegt, sie kennt das alles wohl schon. Ihr Gesicht aber spricht Bände der Freude.

 

Gibt es etwas Schöneres auf Gottes Erde? Auf der manchmal schönen, manchmal armseligen Erde. Wo süße Früchte wachsen und Menschen Krieg führen oder einander sonstwie auf die Seelen schlagen? Doch dann laufen sich Zwei in die Arme. Kind und Papa oder Mama, Mann und Frau, Opa und Oma oder wer immer. Zwei, die sich wieder haben und glücklich sind, ja ausgelassen. Zwei, die einander einfach nötig haben. Und das auch wissen. Immer dieser Kampf sonst um die besten Plätze, das Wichtigtun und sich Aufblasen. Oder die Gram, die Bitterkeit, das einander nicht mehr kennen wollen. Hier ist nichts davon.

 

Zwei brauchen einander. Sie fühlen das auch und sind froh, sich wieder zu sehen. Manchmal schon nach ein paar Stunden. Oder nach langen Wochen mit Arbeiten in der Fremde. Endlich kommt Papa, oder Mama. Das Kind wacht schon früh am Morgen auf und zählt später mit kleinen Fingern die Stunden. Die Frau eilt zum Bahnhof, um ihren Mann abzuholen. Endlich. Sie gehen einander nicht aus dem Weg; sie haben sich nötig. Es ist ihnen keine Last. Jetzt ist nur Freude. Erwartung von Glück. Sie seufzen und jammern nicht, sondern sind heilfroh. Es gibt nichts Schöneres auf Gottes Erde als eine so innige Umarmung. Liebe ist nötig haben. Und die Zeit bleibt kurz stehen.

07.03.2018
Michael Becker