Gott schauen

Wort zum Tage
Gott schauen
25.11.2017 - 06:20
01.11.2017
Pfarrerin Angelika Scholte-Reh
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Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.   (Matthäus 5,8)

 

Das sind die letzten Worte, die ich von meiner Oma Emilie gehört habe. Zwei Tage vor ihrem Tod habe ich sie besucht, wissend, dass sie sterben würde. Schon einige Wochen vorher hatte sie sachlich und mit der ihr eigenen Wärme von ihrem Tod gesprochen: „Ich werde jetzt sterben, Angelika!“ Sie war 87 Jahre alt und ihr Körper war in der Zeit davor immer schwächer geworden. Ja, sie würde sterben, in nicht allzu ferner Zukunft.

 

„Hast Du Angst, Oma?“ „Nein, ich gehe doch zu meinem Herrgott!“ Nur lange leiden wolle sie nicht, setzt sie noch hinzu. Wir haben eine Weile miteinander gesprochen, im Gebet Gott um einen sanften Tod gebeten, ein Vaterunser gebetet. Als ich dann, an einem Samstagmorgen einige Wochen später in ihr Zimmer kam, richtete sie sich, schwach wie sie nun war, in ihrem Bett auf. „Dass Du noch mal kommst!“ Sie hatte gewartet, dass auch ich aus 700 km Entfernung zu ihr kam und wir „Auf Wiedersehen!“ sagen konnten. Wir haben miteinander geschwiegen, einige Worte gewechselt, gebetet, Abschied genommen. Dann war sie zu schwach. Ich habe noch eine Weile an ihrem Bett gesessen. Mein Blick fiel auf ihre Konfirmationsurkunde, die über ihrem Bett hing. „Ach, Du bist ja in Wesel im Willibrordi-Dom konfirmiert worden!“ Sie schaut mich an, lächelt milde und zufrieden und sagt ihren Konfirmationsspruch: „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!“ Es war, als würde sich in diesem Moment der Himmel über ihr öffnen. Ihr Gesicht wurde weich und ihr Blick ging in die Ferne, als würde sie schon über den Horizont des Todes hinweg blicken. Sie, die so gütig und liebevoll war, so voller Wertschätzung und Freundlichkeit, würde heim zu Gott gehen und Gott sehen. Das habe ich in jenem Augenblick empfunden und das hat mich in jenen Tagen sehr getröstet. Zwei Tage später starb sie, bis zuletzt begleitet von ihren drei Kindern. Ja, sie ist zu ihrem Herrgott gegangen, wie sie gesagt hat. Und Er, Gott, hat sie voller Liebe in seinem Reich empfangen. Dessen bin ich mir sicher.

 

Morgen, am Totensonntag, den ich lieber Ewigkeitssonntag nenne, werden wir uns in den Kirchen an die Verstorbenen des jetzt zu Ende gehenden Kirchenjahres erinnern. Ich weiß: Für viele Christinnen und Christen tritt neben die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen die Hoffnung: sie haben jenseits der Schwelle des Todes nun ein neues Zuhause bei Gott.

01.11.2017
Pfarrerin Angelika Scholte-Reh