Gott staunen

Wort zum Tage
Gott staunen
30.12.2019 - 06:20
05.09.2019
Evamaria Bohle
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Staunen hält Leib und Seele zusammen. Gott ist gegenwärtig, und uns fehlen die Worte. Feuerwerksworte, die uns den Blick zum Himmel wenden, für ein paar kostbare Momente. Mit „Ah!“ und „Oh!“ und der Hoffnung, dass ein gutes neues Jahr beginnt. Wunderkerzenworte, die in der dunklen Wohnung Sterne regnen lassen. Dafür gibt’s keine App.

Mir fehlen die Worte. Für die Ewige mit den vielen Namen, die sich bei mir nicht wegdenken lässt aus den Zwischenräumen von Intellekt und Gefühl. Ich weiß nicht, wie andere das schaffen. Mir gelingt es nicht. Und ich habe wirklich versucht, sie wegzudenken. Sie mit guten Argumenten auszuschließen. Normal zu sein, wie meine Nachbarin das nennt. Aber ich scheitere, und Gott hört nicht auf, sich bei mir einzurichten. Die Ewige. Sie ist immer schon da, schaukelt in meinen Sorgen, guckt in meine Töpfe, will überall mit Liebe würzen. Und wenn ich mal richtig lange wegwill – ins Besserwisserland, hinter die sieben Berge zu den sieben Zwergen mit ihrem coolen Lifestyle, packt sie mir noch den Proviant.

Mir fehlen die Worte. Ich glaube an Gott. G – O – T – T. Es glaubt in mir. Denn wir sind ja viele in meinem Kopf, und längst nicht alle verstehen, was da vor sich geht. Sie sitzen erwachsen mit Kaffeebechern in den geübten Smartphonefingern am Rand des Denkens und sehen der Seele beim Glauben zu. „Was macht sie da nur?“, fragen sie sich und googeln „Gott“.

Mir fehlen die Worte. Er, sie, es glaubt in mir, atmet in mir, trägt diskret meine Zeit, wie Gott es für alle tut, die am Leben sind. Menschen, Bäume, Küchenschaben. Sie macht Licht in der Schöpfung, schickt mich immer wieder an die frische Luft, strickt lustige Mützen aus Hoffnung, die das Herz warmhalten. Gott kann nicht anders, sie weiß, wir sind fähig zur Liebe. Das ist das Beste in uns, sogar, wenn wir es nicht wahrhaben wollen.

Mir fehlen die Worte, das nennt man wohl Staunen. Du sanfter Gott, Freundin, die Wunderwege mit mir mitgeht. Wie kann ich von dir sprechen, ohne zu stammeln? – „Du könntest mit den Händen reden“, schlägt Gott vor. „Wie der glucksende Säugling im Kinderwagen, der ziellos nach oben greift, wieder und wieder. Oder wie der Mann, der ehrenamtlich mit den Flüchtlingskindern Fußball spielt. Dir fällt schon was ein.“

Mir fehlen die Worte. „Na und? Entspann dich“, sagt Gott, „Ich bin, der ich bin.“

 

Es gilt das gesprochene Wort.

05.09.2019
Evamaria Bohle