Gütesiegel

Wort zum Tage
Gütesiegel
13.10.2016 - 06:23
13.10.2016
Pfarrerin Christina-Maria Bammel

Jemand meinte mal: Große Köpfe reden über Ideen und Gedanken, mittelgroße Köpfe über Ereignisse. Kleingeister würden über andere Personen reden. In der Regel will man ja nicht zu den Kleingeistern gehören. Ich erinnere mich hin und wieder  an eine überlieferte Szene aus antiken Zeiten. Denn ich habe das öfter mal nötig. Zum griechischen Philosophen Sokrates kam ein Bekannter gelaufen.  "Sokrates, ich muss dir unbedingt erzählen, wie dein Freund...."
"Einen Moment!" unterbricht ihn der Gelehrte. "Hast du das, was du mir sagen willst, durch drei Siebe gesiebt?". "Drei Siebe? Was für Siebe?" fragte der andere etwas irritiert.
"Du brauchst drei Siebe! Das erste ist das Sieb der Wahrheit. Ist das, was du mir erzählen willst, wahr? Hast du das geprüft?“
"Naja, mir wurde das auch erstmal nur erzählt.."
"O, dann hast du bestimmt mit dem zweiten Sieb gearbeitet, dem Sieb der Güte. Wenn du schon nicht weißt, ob das Erzählte wahr ist, dann ist es doch hoffentlich gut?" Der andere hält einen Moment inne. "Nein, eher nicht. Es ist mehr ein Aufreger über…"
"Aha", unterbricht Sokrates ein weiteres Mal. " Dann nimm  das dritte Sieb und frage: ist es notwendig, mir das zu erzählen, was dich so aufregt und bewegt?"
"Was ist schon notwendig...." erwidert der Andere sichtlich gebremst in seinem Eifer.
"Also", lächelte der Philosoph, "wenn deine Erzählung weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein. Beschwere dich nicht damit und mich auch nicht."
Die kleine Szene stellt mir immer wieder vor Augen, dass auch unsere Erzählungen so etwas wie ein Gütesiegel brauchen.
Wir setzen auf Milch, Rasierschaum, Autos Gütesiegel. Wie ist es mit unseren Worten ? Nicht immer ist im Alltag Zeit, jedes Wort zu sieben und zu siegeln. Völlig klar. Vielleicht hat deshalb mal jemand auch in der Bibel festgehalten, dass unsere Bereitschaft zu hören immer ein bisschen größer sein sollte als unsere Bereitschaft zum Reden.  Jeder sei schnell bereit zu hören, aber jeder lasse sich Zeit, ehe er redet (Jak 1,19).
Wenn  Worte gerecht bleiben wollen gegenüber denen, die davon betroffen sein könnten; wenn  Worte wirklich Gehalt haben und man sich auf das Gesagte auch verlassen kann. Dann sind sie ein Gütesiegel allemal wert. Ein reines Reden, das mit Hilfe der drei Siebe geprüft hat, wieviel Gerechtigkeit, Güte und Wahrhaftigkeit darin stecken, das muss, das will ich jeden Tag aufs Neue versuchen.
Übrigens bezeichnet der Apostel Paulus , ein Briefschreiber im Neuen Testament, diese drei, "Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit",  als „Früchte  des Lichts“.  Mitten im Herbst möchte ich diese Früchte genießen; und  nicht nur das, sondern sie mit anderen so oft als möglich teilen.

13.10.2016
Pfarrerin Christina-Maria Bammel