Im Zweifel für den Menschen

Wort zum Tage
Im Zweifel für den Menschen
08.07.2017 - 06:20
07.07.2017
Pfarrer Michael Becker

Im Zweifel für den Menschen. So empfand sie, so hat sie gearbeitet: Käthe Kollwitz, die deutsche Künstlerin, geboren heute vor 150 Jahren. Im Zweifel für den Menschen, so litt sie auch am Leben. Die tiefsten Einschnitte waren die zwei Weltkriege und der Tod eines Sohnes im Ersten Weltkrieg, gefallen als Soldat. Da spürte Kollwitz die Wirklichkeit des Menschen. Seine Schrecken, seine Ängste – und die Hoffnung auf Beistand und Liebe. Das zeigen ihre Bilder und Figuren. Erschreckte Gesichter, Hunger – und die Sehnsucht nach Trost. Berühmt ist eine Plastik von ihr in Berlin, nahe dem Dom. Eine Mutter hält ihren toten Sohn im Arm. Nie wieder Krieg, sagt die schmale Hoffnung noch. Größere Schrecken als Krieg und Hunger gibt es nicht. Und weil ihre Zeichnungen und Figuren eben nicht nur lebensfroh und gefällig waren, galt sie den Herrschenden im Dritten Reich als „entartet“. Schrecken hat man nicht oder zeigt sie nicht, meinten die Herrschenden damals.  Käthe Kollwitz entzog sich der Öffentlichkeit. Und musste später von Berlin umziehen nach Moritzburg nahe Dresden. Man gab ihr Obdach, als sie in Berlin ausgebombt war.

 

Im Zweifel für den Menschen. So hat sie empfunden, das wurde ihr auch zuteil. Wer sich gegen Herrschende stellt, lebt gefährlich, braucht Mut. Auch Freunde. Im Nationalsozialismus gab es Zeiten, da fehlte vielen jede Hoffnung. Mit lautem Hurra und Deutschsein wollte man Blut und Trümmer übertönen. Käthe Kollwitz übersah und überhörte nicht, wie sehr Menschen litten. Dass im Hurra und Deutschsein Menschen untergingen, Beistand brauchten. Und wenn es der Beistand eines Bildes ist. Ich vergesse dich nicht, sagt das Bild oder die Zeichnung. Ich sehe deinen Hunger; deinen Schmerz.

 

Das ist der Anfang von Hilfe: Ich sehe dich; ich weiß um dich. Es ist nicht nur  schön, solch ein Bild zu sehen oder eine Figur. Es ist aber ehrlich. Das Leben ist nicht nur bunt und spaßig. Es gibt auch Arme und Untröstliche. Sie brauchen keine Parolen, sondern eine Stimme. Oder ein Bild. Macht euch nichts vor, sagt mir das Bild. Vergesst nicht, dass Menschen Hilfe nötig haben. Manchmal bitter nötig. Und wenn ihr eurer schönen Wege geht, denkt bitte daran: Im Zweifel für den Menschen.

07.07.2017
Pfarrer Michael Becker