Innere Größe

Wort zum Tage
Innere Größe
03.03.2017 - 06:20
02.03.2017
Pfarrerin Marianne Ludwig

New York, Carnegie Hall. Für die 76jährige Florence Foster Jenkins wird ein Lebenstraum wahr, als sie im November 1944 dort ein Konzert gibt. Bereits Wochen vorher ist die Carnegie Hall ausverkauft. Und das, obwohl sie kaum einen Ton halten kann und als schlechteste Opernsängerin der Welt gilt.

 

Vor kurzem ist ihr Leben mit Meryl Streep in der Hauptrolle verfilmt worden. Der Film ist ein Publikumsrenner geworden und das mit Recht. Denn Florence ist eine Frau, die bedingungslos ihrem Lebenstraum folgt. Sie singt mit aller Leidenschaft, wagt sich an die schwierigsten Arien und läßt sich durch Kritiker nicht beirren.

Manchen mag solche Sanges“kunst“ als pure Unverfrorenheit erscheinen. Künstler mögen den Kopf schütteln. Das soll Gesang sein? Lächerlich!

 

In der Tat, die Konzertbesucher haben Tränen gelacht über den Gesang von Florence Foster Jenkins. Lächerlich war sie aber nicht. Wer in der Carnegie Hall mit ihren 2700 Sitzplätzen auftritt, braucht Mut und Ermutigung. Vor allem aber eine grenzenlose Liebe zur Musik, und die wollte Florence unbedingt mit anderen teilen.

 

Groß von sich zu denken – das ist eine schwierige Kunst. Vielleicht ähnlich anspruchsvoll wie die Arie der „Königin der Nacht“. Es ist ein Spagat zwischen Selbstverliebtheit und der bangen Frage „bin ich gut genug?“. Wer groß von sich denkt anstatt sich klein zu machen, braucht in erster Linie eines: Vertrauen.

Für die Menschen der Bibel hat Vertrauen einen guten Grund. Sie sehen sich als „Kinder Gottes“ und damit als bedingungslos geliebt. Im 8. Psalm hört sich das so an: „Du hast ihn nur wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Schmuck hast du ihn gekrönt.“ Der Beter ist überzeugt: Gott denkt groß vom Menschen. Deshalb wachsen Selbstachtung und Selbstvertrauen auf einem fruchtbaren Boden.

Sicher, es gibt Situationen, in denen es schwerfällt, groß von sich zu denken. Florence Foster Jenkins zum Beispiel hat durch eine Erkrankung ihre Haare verloren, auch Gehör und zentrales Nervensystem waren eingeschränkt. Aber stärker als alle Selbstzweifel war ihre Liebe zur Musik. Der Wunsch andere damit anzustecken, war größer als die Angst, auf der Bühne zu versagen. Florence Foster Jenkins mag eine schlechte Sängerin gewesen sein. Aber mit ihrem Mut zu sich selbst hat sie andere in den Bann gezogen. „Die Leute mögen sagen, ich könne nicht singen. Aber keiner kann sagen, dass ich nicht gesungen habe.“

02.03.2017
Pfarrerin Marianne Ludwig