Kein Scherz: Liebe

Wort zum Tage
Kein Scherz: Liebe
01.04.2017 - 06:20
29.03.2017
Pfarrerin Christina-Maria Bammel

Der amerikanische Schauspieler Tom Hanks hat einen Wachmacher ins Weiße Haus geschickt. Kein Aprilscherz! Es war ein Geschenk an die dort arbeitenden Journalisten. Der Schauspieler verpackte dieses Wachmachergeschenk mit dem Wunsch, dass doch bitte alle wachsam bleiben sollen im Blick auf das, was eine Demokratie kostbar macht und eine Gesellschaft zusammenhält. Wie dieser Wachmacher aussieht? Es ist eine Kaffeemaschine! Übrigens eine sehr komfortable. Wie gesagt, kein Scherz, vielmehr eine Geste mit Weitblick. Neben Kaffeemaschinen, die in Morgenstunden von unschätzbarem Wert sind, kenne ich noch mehr Wachmacher – nicht nur für mich selbst; auch für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Menschen, die sich nicht einfach abfinden mit den Gegebenheiten, die sich tatsächlich wachrütteln lassen und andere aufrütteln, auch sie sind Wachmacher. Nicht nur mit Worten, sondern mit Entscheidungen und Taten. Frauen wie Amalie Sieveking zum Beispiel, an die ich heute erinnern möchte. Der 1. April ist ihr Todestag. Als 1831 in Hamburg eine Choleraepidemie ausbricht, ist Amalie entsetzt über das Elend auf den Straßen und in den Häusern. Sie meldet sich zum freiwilligen Dienst im Krankenhaus und sucht andere, die mitziehen und helfen. In der Zeitung veröffentlicht sie ihren „Aufruf an christliche Seelen“. Dass damals eine Frau einen solchen Wachmacher in die Zeitung setzt, sorgt für Gesprächsstoff, aber niemand meldet sich. Das hält Amalie nicht davon ab, im Krankenhaus loszulegen. Schnell hat sie Leitungsverantwortung, rasch gründet sich ein Verein für Armen- und Krankenpflege. Jedes Jahr soll dessen Vorstand neu gewählt werden. Fast 30 Jahre bleibt Amalie Sieveking das selbst. Was eigentlich macht in all diesen Jahren diese Frau immer wieder wach und kraftvoll genug, gegen alle möglichen Widerstände anzugehen? Kann man von ihr knapp 200 Jahre später noch etwas lernen? Sie selbst nannte sich eine rationalistische Mystikerin. Für sie war das eine Mischung aus handfesten Handlungsentscheidungen einerseits und tiefer Glaubenskraft andererseits. Den Blick behielt sie fürs Machbare. Ihr zweiter Blick galt dem, wo sie selbst Empfangende war: Sieveking fühlte sich reich beschenkt von dem, was wir heute mystische Gotteserfahrungen nennen. Dafür ist sie in die Schule gegangen bei Autoren wie Thomas von Kempen. Ein Augustinermönch, der etliche hundert Jahre vor ihr lebte. Und der hat einmal gesagt: „Liebe ist eine wunderbare Sache, das höchste Gut, das jede Last leicht erscheinen lässt. Liebe ist wachsam und selbst im Schlaf wacht sie noch. Auch wenn sie ermüdet, erschöpft sie sich nicht.“ Amalie Sieveking hat dieses Wachmacher-Wort gelebt und weitergeschenkt.

29.03.2017
Pfarrerin Christina-Maria Bammel