Kelch der Versöhnung

Wort zum Tage
Kelch der Versöhnung
23.11.2018 - 06:20
07.09.2018
Dirck Ackermann
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Es war einer jener herrlichen Sommertage im Juni. Die Sonne erstrahlte schon am frühen Morgen mit ihrem hellen Schein am glasklaren Himmel. Sie taucht die Stadt in goldgelbes Licht. Ich schaue vom Burgberg auf die Stadt herunter. Sehe die zahlreichen Kirchen, höre vielfältiges Glockengeläut. Kann die Cafés entdecken, in denen ich in den Tagen zuvor mit Freunden diskutiert habe über die Aufstände, die hier stattgefunden haben, vor fünfzig Jahren, aber auch vor vierhundert.

 

Goldenes Prag. Heute spüre ich: Wie treffend ist diese Bezeichnung! Prag, hier war ich schon häufig. Hier habe ich gute Kollegen, ja Freunde gefunden. Eine Stadt, die zeigt, wie vielfältig europäische Kultur sein kann. Es gibt eine Vielfalt von Kirchen und eine Vielfalt von Konfessionen und Religionen. Eine Kirche schöner als die andere. Manche zeugen von der betörenden Schlichtheit mittelalterlicher Romanik. Andere strotzen nur so vor barocker Pracht.

 

Doch an diesem Junimorgen spüre ich auch etwas Anderes. Ich wende meinen Blick zurück auf ein Fenster der Burg. Der Prager Fenstersturz, erinnere ich mich. 1618, Beginn des 30-jährigen Krieges. Ein Drittel der mitteleuropäischen Bevölkerung stirbt in diesem Krieg. Die vielen Kirchen in Prag, sie zeigen auch: Christen haben gegeneinander gestritten, weit mehr als 30 Jahre lang, über Jahrhunderte hinweg.

 

Ich wandere von der Burg hinunter auf den Altstädter Ring und stoße auf ein Mahnmal. Hier auf dem zentralen Marktplatz wurden damals 27 Standesherren hingerichtet. Das Mahnmal erinnert an die jahrhundertlange Verdrängung der tschechischen Kultur.

 

Mein Blick wandert zum Turm der Teynkirche, gleich neben der Hinrichtungsstätte gelegen. Ich sehe die Marienstatue, sie glänzt im Sonnenlicht. Geformt aus dem Gold des hussitischen Kelches, der vorher an dem Turm aufgestellt war. Christen führten gegeneinander Krieg. Dann eine Marienstatue als Zeichen des Sieges und des Triumphes. Noch in Gedanken versunken merke ich auf einmal einen Unterschied. Der Kelch steht wieder an seinem Platz. An dem strahlenden Glanz des Kelches kann ich erkennen: Er steht noch nicht lange hier. Dieser neue Kelch ein Zeichen der Versöhnung vierhundert Jahre nach dem verheerenden Krieg?

 

Am Abend dann feiern wir Gottesdienst. Alle Konfessionen gemeinsam: Römisch-Katholische, Hussiten, Böhmische Brüder, Herrnhuter, Lutheraner, Griechisch-Orthodoxe, Griechisch-Katholische, Altkatholiken aus Tschechien und der Slowakei, aus anderen Ländern Europas und den USA.

 

In diesem Jahr, nach diesem Tag genieße ich das besonders: Christen setzen ein Zeichen und feiern Versöhnung und Frieden. Erinnern an die Zukunft Gottes.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

07.09.2018
Dirck Ackermann