Leberwurst und Schöpfungsfreude

Wort zum Tage

Gemeinfrei via pixabay/ wirdefalks

Leberwurst und Schöpfungsfreude
mit Christina-Maria Bammel
18.12.2021 - 06:20
15.09.2021
Christina-Maria Bammel
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Fünfter Geburtstag. Winter 1946. Die Geschichte gehört zum festen Repertoire in ihrer Familie: Da gab es jenen einen Geburtstagswunsch des Mädchens von damals, Geschwisterkind unter Fünfen. Nur den einen Wunsch. Ein eigenes Leberwurstbrot! Das wäre wie Weihnachten und Geburtstag zusammen! Irgendwie hatte es die Mutter geschafft, das Ersehnte aufzutreiben. Dann gab es diesen Moment, an dem das Mädchen zwischen den Geschwistern saß und mit Genuss zugebissen haben muss. Wenn deren Enkelin heute die Geschichte hört - und sie hat sie schon mehrfach gehört - rollt sie neuerdings ein bisschen mit den Augen. Da spürt man dann die Jahrzehnte zwischen Oma und Enkelin. Die Enkelin ernährt sich vegan. Ein eigener Entschluss der Teenagerin. Tierische Produkte in jeder Form zu essen, hält sie für nicht mehr verantwortbar, gerade in den Regionen der Welt, wo man sich auch anders ausgewogen ernähren kann. Sie weiß,  das ist nicht überall auf der Welt der Fall.

Die Großmutter sorgt sich allerdings um das magere Kind, um Ernährungsmangel. Nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn man es unbedacht angeht. Die Enkelin dagegen sorgt sich um den ungezügelten Massenverbrauch und um das entsetzliche Leid von Gottes Kreaturen, die so wie sie selbst Teil dieser Schöpfung sind. Sie ist in dieser Haltung konsequent, aber vermeidet den moralischen Zeigefinger auf andere gerichtet. Sie ist einfühlsam angesichts der Entscheidungen, die andere anders fällen. Sie erwartet nur, dass ihre Haltung, wenn auch nicht übernommen, so doch zumindest akzeptiert wird. Wir sind Teil, aber nicht Krone der Schöpfung. Wenn überhaupt Krone, dann ist das der Schabbat. Der Höhe- und der Ruhepunkt schlechthin! So vielen Geschöpfen dieser Welt ist dieses Aufatmen, sich erholen können nicht vergönnt, weil sie herhalten müssen. Sie seufzen. Das sagen nicht nur Tierschützer heute, das meint der Apostel Paulus schon vor über 2000 Jahren. Mit drastischen Worten: Die gesamte Schöpfung stöhnt auf. Wir Menschen haben einen Anteil daran, weil wir uns über das Gebot der Qualität, der Entschleunigung und der Erholung in der Aufzucht und Schlachtung von Tieren hinwegsetzen. Hier würde die Enkelin ein wenig widersprechen. Denn es gibt ja doch auch immer mehr Höfe mit Hoffnung, mit Unterstützung für eine Wende. Wie gut! Und da sind sich auch Großmutter und Enkelin wieder einig. Es geht auf Weihnachten zu. Wo Vorbereitungen und Besuche möglich sind, gehören Speisepläne dazu, auch wenn Vielen nicht groß nach Tafeln zumute ist. Was soll ich kochen, fragt die Großmutter über WhatsApp. Die Enkelin antwortet knapp: „Leg ein bisschen Schöpfungsfreude auf den Tisch.“  

Es gilt das gesprochene Wort.

15.09.2021
Christina-Maria Bammel