Meine Wurzeln

Wort zum Tage
Meine Wurzeln
15.09.2016 - 06:23
07.09.2016
Pfarrerin Angelika Scholte-Reh

„Leg alles still in Gottes ewige Hände. Das Glück, den Schmerz, den Anfang und das Ende!“ Ein kleines Holzbrett, die Worte in altdeutscher Schrift. Es hing früher mal über dem Bett meiner Großmutter. Seit ihrem Tod begleitet es mich. Es erinnert mich an sie, an meine Ahnin. Ihre Geschichte, die Geschichte meiner Vorfahren, hat mein Leben geprägt und mich neben anderem und anderen zu der werden lassen, die ich heute bin.

 

Vor einigen Jahren hat meine Mutter einige alte Photos für uns, ihre Kinder, kopieren lassen und uns aufgeschrieben, wer darauf zu sehen ist. Darunter waren auch die Hochzeitsbilder beider Großelternpaare. Wem ich wohl ähnlich sehe? habe ich mich gefragt und sie mit der Lupe betrachtet. Und von wem habe ich wohl mein Interesse an Geschichte und meine Lust an der Sprache? Wessen Entscheidungen haben sich auf mein Leben wie ausgewirkt? Sie, meine Ahnen, sind meine Wurzeln. Da komme ich her. Sie haben mir ihre Kraft, ihre Traditionen, ihre Träume und Enttäuschungen, ihr Scheitern und ihre Erfolge mit auf den Weg gegeben, meine Werte geprägt und meine Weise zu denken und zu leben.

 

In der Bibel finden sich immer wieder kapitellange Abstammungslisten. Ich fand sie immer langweilig. Heute verstehe ich das Interesse, das dahinter steht: Die Frage, woher wir kommen, wer unsere Vorfahren waren und wann, wie und wo sie gelebt haben.

Im Stammbaum Jesu im Matthäusevangelium finden sich zum Beispiel neben all den Männernamen von Abraham bis Josef auch fünf Frauennamen und mit jedem dieser Namen verbindet sich eine Geschichte: Tamar, Rahab, Ruth, Bathseba und Maria. Hätten Sie anders gehandelt, sich anders entschieden – die Geschichte der Welt hätte sich anders entwickelt. Sie haben – viele Generationen zuvor – die Basis dafür gelegt, dass Jesus Christus zur Welt kommen konnte. Und das wollen die Abstammungslisten in der Bibel zum Ausdruck bringen: Wie Gott in der Geschichte wirkt und mit den Menschen geht, von Generation zu Generation.

 

Jeder und jede unserer Vorfahrinnen haben etwas zu dem beigetragen, wer wir heute sind. Sie geben uns Wurzeln und wir leben ihre Geschichte weiter, indem wir uns positiv auf sie stützen oder uns von ihr abgrenzen.

 

Ich kann für mich sagen, dass ich den tiefen Glauben meiner beiden Großmütter mit auf den Weg meines Lebens bekommen habe. Sie haben beide viel Leid und die schwere Zeit des zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit erlebt und überlebt und beide ihren Glauben als starke Stütze erlebt und es uns, den Engelkindern so weitergegeben. Darin wurzele ich. Und daran erinnern mich die Worte auf dem kleinen Holzbrett über meinem Schreibtisch: „Leg alles still in Gottes ewige Hände. Das Glück, den Schmerz, den Anfang und das Ende!“

07.09.2016
Pfarrerin Angelika Scholte-Reh