Auf meinem Schreibtisch steht seit einiger Zeit eine Skulptur, knapp 20 Zentimeter groß, aus Buchenholz geschnitzt. Was sie darstellt, beschreibt ihr Schöpfer so: „Auf den ersten Blick erkennt man im unteren Teil das Kirchenschiff und darüber einen Turm. Das Weibliche ist durch entsprechende Formen abgebildet. Diese mussten, um das Mütterliche auszudrücken, entsprechend üppiger ausfallen. Und so steht sie nun da, unsere ‚Mutter Kirche‘: Arm aber sexy.“
Was viele Leute im Anschluss an Klaus Wowereit über Berlin sagen: Die Stadt sei „arm, aber sexy.“, hier soll es für die Kirche gelten. Dass eine solche Darstellungsweise –eine Kirche mit weiblichen Rundungen - eher ungewöhnlich ist, das ist auch ihrem Schöpfer bewusst. Ein Jahr habe die Skulptur bei ihm im Wohnzimmer gestanden und manchem Betrachter ein Schmunzeln entlockt. Und wenn mir das „Ding zu genierlich sei, könnte ich es auch einfach zurückgeben. Er hätte dafür Verständnis.
Zurückgeben werden ich diese „Mutter Kirche“ allerdings nicht. Und dies aus verschiedenen Gründen:
Zum einen zeigt mir diese kleine Skulptur, dass meine Mutter Kirche einen lebendigen Kern hat. Ich sehe ja nur die Oberfläche. Aber ich weiß, dass die lebendige Maserung des Holzes sie bis ins Innerste durchzieht. Dieser historisch gewachsene Kern macht meine ‚Mutter Kirche‘ interessant und lädt mich immer wieder zur Berührung ein.
Außerdem gefällt mir an dieser Skulptur, dass sie mutig ist. Sie zeigt Lebensmut. Sie traut sich, attraktiv und sinnlich zu sein, so sinnlich, dass aus ihr bis heute neues Leben geboren wird. Auch diesen Lebensmut wünsche ich mir von meiner ‚Mutter Kirche‘. Und den Sinn für Schönheit, die zur Quelle neuen Lebens werden kann.
Und schließlich: Diese Skulptur zeigt Humor. Sie lebt vom Humor des Schöpfers. Und sie spielt mit dem Humor des Betrachters. Und auch das verbinde ich mit meiner ‚Mutter Kirche‘: Denn dass Gott seine Kirche mit Humor geschaffen hat, davon bin ich überzeugt. Wie könnte er sonst überhaupt mit ihr leben? Und dass wir es ihm gleich tun, wenigstens ab und zu, das hoffe ich. Denn Humor ist kein Hindernis für Heiligkeit.
Die ‚Mutter Kirche‘ auf meinem Schreibtisch: Arm aber sexy. - Ich finde, eine attraktive und sinnliche Kirche ist eine gute Mutter. Und ich erlaube mir, dem Mann, der sie gestaltet hat, in einem Punkt sogar zu widersprechen: Diese Kirche ist nicht arm, im Gegenteil: Sie birgt einen großen Reichtum.