Nicht-shoppen

Wort zum Tage
Nicht-shoppen
15.05.2015 - 06:23
30.03.2015
Pastorin Anja Neu-Illg

Meine Freundin Ina hat ein neues Hobby: Nicht-Shoppen. Nicht Shoppen? Und was machst du dann da so, wenn du nicht shoppst? Frag ich sie.

 

Nein, nein, ich mache nicht etwas anstatt zu shoppen, nicht-shoppen ist das, was ich hobbymäßig tue. Das macht richtig Spaß. So als Hobby. Wie? Ich gehe durch die Stadt und schaue mir die Schaufenster an. Bleibe hier und da stehen. Gehe sogar in Kaufhäuser. Und freue mich, über jedes einzelne Ding, das ich nicht brauche. Ein Telephonanbieter verspricht mir jedes Jahr ein neues Smartphone? Und ich denk mir: Brauch ich nicht. Die Hosenformen werden am Knöchel wieder schmaler. Und ich denk mir: Guck. Brauch ich auch nicht. Die neuen Übergangsjacken sind da. Und ich denk mir: Wie schön, dass meine alte Übergangsjacke noch so ganz und gar tadellos ist, dass ich jetzt keine neue brauche.

 

Nicht-Shoppen geht natürlich etwas schneller als Shoppen. Am Ende hat man dann mehr Zeit. Um z.B. auszurechnen, was man an diesem Tag durch konsequentes Nicht-Shoppen gespart hat: Kein neues Smart­phone plus keine neue Hose mit neuer Form plus keine neue Übergangsjacke, obwohl die alte noch tadellos ist – da kommt schon ein hübsches Sümmchen zusammen. Und dann kann man überlegen, was man mit dem Geld machen will, irgendwas Sinnvolles, Leute zum Essen einladen zum Beispiel.

 

Schräges Hobby, dieses Nicht-Shoppen. Noch schräger eigentlich, dass Shopping mittlerweile wirklich als anerkanntes Hobby gilt. Auch schon unter Kindern und Teenagern. Das bedeutet, die Leute gehen nicht in Läden, um etwas Bestimmtes zu kaufen, was sie brauchen. Sondern sie gehen in Läden und kaufen irgendetwas, weil sie das Kaufen brauchen. Weil ihnen das was gibt. 90 Prozent unserer Einkäufe brauchen wir eigentlich nicht, meint der Neurobiologe Gerald Hüther. Viele shoppen weil sie mit sich und der Welt unzufrieden sind. Wer dagegen glücklich und zufrieden ist, braucht nicht dauernd neue Schuhe.

 

Eine Referentin für Bildung in nachhaltiger Entwicklung erklärt mir, dass meine Freundin Ina mit ihrem neuen Hobby Nicht-Shoppen für eine Nachhaltigkeitsstrategie steht, die im Allgemeinen als besonders unpopulär gilt: Suffizienz. Suffizienz steht für Genügsamkeit und Verzicht, sie erinnert an die christliche Tugend der Mäßigung. Suffizienz als Strategie sagt: Es reicht. Es genügt. Wohin wollen wir denn immer noch weiter wachsen? Was brauche ich wirklich? Und wie lassen sich schädliche Folgen für Mensch und Natur möglichst gering halten? Das Smartphone z.B., das Ina nicht gekauft hat: dafür werden auch keine seltenen Erden abgebaut. Für die nicht gekaufte Hose: wird kein Wasser verbraucht, das woanders so kostbar ist; und durch den Nicht-Kauf einer neuen Übergangsjacke: gehen die Pestizide, die das Grundwasser belasten, nicht auf Inas Konto. Suffizienz. Das wird in Zukunft wohl keiner als Hobby angeben. Aber vielleicht hat ja Nicht-Shoppen als Hobby eine Chance. Viel Spaß beim Nicht-Shoppen-Selbstversuch!

30.03.2015
Pastorin Anja Neu-Illg