Schlafen

Wort zum Tage
Schlafen
21.11.2019 - 06:20
05.09.2019
Michael Kösling
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Ornithologen kennen sie wahrscheinlich: die Dachsammer. Ein 15 bis 20cm langer, am Kopf schwarz-weiß gestreifter, ansonsten grau-brauner Sperlingsvogel, beheimatet in Nordamerika. Ein niedliches Tierchen mit einer erstaunlichen Fähigkeit. Deshalb interessiert sich seit einigen Jahren das US-amerikanische Verteidigungsministerium brennend für diesen Vogel und hat in seine Erforschung enorme Summen gesteckt. Die Dachsammer, die im Herbst von Alaska bis ins nördliche Mexiko fliegt, schafft es, 7 Tage und Nächte lang wach zu bleiben. Sie kann nachts fliegen und tagsüber Nahrung suchen, ohne ausruhen zu müssen. Jetzt möchte man dem Vogel auf die Schliche kommen und herausfinden, wie Menschen ohne Schlaf auskommen und trotzdem effizient funktionieren. Mal sehn. Vor 100 Jahren konnte Sigmund Freud noch über den Schlaf dozieren: Es sieht so aus, als hätte die Welt auch uns Erwachsene nicht ganz, nur zu zwei Dritteln; zu einem Drittel sind wir überhaupt ungeboren. Jedes Erwachen am Morgen ist dann wie eine neue Geburt. Heute hat uns die Welt ganz, sie verfolgt uns bis in den Schlaf. Es scheint oft so, als irrten und hetzten wir als schlaflose Sklaven einer Aufmerksamkeitsökonomie durch unsere Tage und Nächte. Sodass wir gar nicht mehr so schlafen können, dass wir wie neu geboren erwachen. Wir erwachen oft erschöpft und manchmal wie gerädert. Ich denke dabei an den erschöpften Prophet Elia. Er war ein Eiferer für Gott. Konflikte zermürbten ihn, Feinde verfolgten ihn am Ende Tag und Nacht. Er musste um sein Leben fürchten. Da flüchtete Elia sich in die Wüste, legte sich unter einen Wacholder und wünschte sich den Tod. Und schlief ein. Ein Engel kam, erzählt die Bibel, weckte ihn und brachte Brot und Wasser, dass er sich stärke. Doch Elia wollte nicht mehr, er legte sich wieder hin und schlief. Und der Engel kam ein zweites Mal mit Brot und Wasser. Jetzt stand Elia auf und ging gestärkt, wie neu geboren, zum Berg Gottes. Zwei Dinge: die Wüste ist seit alters her der symbolische Ort der Abgeschiedenheit schlechthin, heute der Ort ohne Netz, ein Funkloch mitten in der Welt und ihrem Zugriff entzogen. Und Brot und Wasser: Grundnahrungsmittel. Elementar und ursprünglich. Und mit dem Engel kommt: ein traumgesättigter, erholsamer Schlaf, aus dem Elia wie neu geboren erwacht. Ein biblisches Gebet, morgens und abends zu sprechen: „Ich liege und schlafe und erwache; denn mein Gott hält mich.“ (Psalm 3,6)

 

Es gilt das gesprochene Wort.

05.09.2019
Michael Kösling