Schwerter zu Pflugscharen

Wort zum Tage
Schwerter zu Pflugscharen
26.05.2016 - 06:23
11.01.2016
Pastor Dietrich Heyde

„Wo keine Vision ist, da verkümmert ein Volk“, heißt es in der biblischen Weisheit, im Buch der Sprüche (29,18). Wir Menschen brauchen eine Perspektive für die Zukunft. Eine lebendige Hoffnung über den Tag hinaus. Wo sie fehlt, verkümmern wir. Da wird unserer Seele Lebenswichtiges entzogen. Der Prophet Jesaja hatte eine Vision. In der sah er den Tag kommen, wo Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln werden (Jesaja 2,4).

 Was für eine Perspektive! Ist sie mehr als ein schöner Wunschtraum? Wir reiben uns erstaunt die Augen. Nicht nur, weil das, was der Prophet in der Zukunft „sieht“, im schärfsten Kontrast steht zu dem, was wir täglich weltweit erleben an Kriegen, Terror und Gewalt. Es steht auch im schärfsten Kontrast zu dem, was der Prophet und seine Zeitgenossen selbst in ihrer Zeit erlebt haben. Die politische Großwetterlage in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. bot nicht den geringsten Anlass, in der nahen oder fernen Zukunft einen Völkerfrieden zu erwarten. Wenn es so steht, was soll dann die Vision Schwerter zu Pflugscharen? Was bedeutet sie?

 

Damit will der Prophet, meine ich, allen Völkern und Nationen bewusst machen, dass Gewalt, Kriege und menschliche Machtmittel nicht erst in der Zukunft, sondern schon jetzt ganz untaugliche Mittel sind, um Konflikte zu lösen. Wir haben in Deutschland 1989 mit der friedlichen Revolution solch einen geschichtlichen Augenblick erlebt. Tausende sind auf die Straße gegangen und haben gewaltfrei demonstriert. Viele mit dem Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“. Da strahlte etwas auf von der Vision des Propheten. Wir haben allen Grund, all unsere Kraft und Energie darein zu setzen, dass Konflikte gewaltfrei gelöst werden.

 

Aber da ist noch ein Zweites: In der Vision des Propheten werden die Schwerter und Spieße nicht einfach vernichtet. Sie werden umgerüstet zu Pflugscharen und zu Sicheln, zu Geräten in der Landwirtschaft. Pflugscharen und Sicheln braucht man bei Aussaat und Ernte. Darum muss es uns schon jetzt zu tun sein: Brot für alle Menschen zu schaffen. Das ist das Gebot der Stunde. Abrüsten heißt umrüsten. Die Instrumente des Tötens sollen zu Instrumenten des Lebens werden, nicht erst in der Zukunft, schon jetzt. Was hindert uns eigentlich, schon jetzt so zu leben, wie wir in der Zukunft einmal gelebt haben möchten?

11.01.2016
Pastor Dietrich Heyde