Toleranz ist Nächstenliebe

Wort zum Tage
Toleranz ist Nächstenliebe
22.11.2018 - 06:20
07.09.2018
Dirck Ackermann
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Es war an einem jener warmen Frühsommerabende in diesem Jahr. Ich sitze auf einem Podium und erlebe eine hitzige Diskussion. Titel der Veranstaltung: Christliche Identität und Intoleranz in West-Europa. Ja tatsächlich Intoleranz. Wir diskutieren über eine frisch veröffentliche sozialwissenschaftliche Studie eines amerikanischen Instituts. Dieses Umfrage-Institut hat mitten in der Hochphase der Flüchtlingsbewegung 2015 24.000 Menschen im alten West-Europa befragt. Mit für mich überraschenden Ergebnissen. Die Mehrheit der Befragten bezeichnet sich als Christen, wenn auch nur jeder Vierte regelmäßig einen Gottesdienst besucht. In Deutschland hält sich nur ein knappes Viertel der Bevölkerung für nicht religiös. Das ist noch nicht überraschend.

 

Erstaunt, ja erschreckt hat mich folgendes: Die befragten Christen in Europa neigen eher zu Ablehnung gegenüber anderen Religionen und Kulturen als Konfessionslose. Diese Einstellung geht einher mit negativen Äußerungen gegenüber Einwanderern, Juden und Muslimen.

 

Christen halten ihre eigene Kultur für höherwertig, mehr als nicht konfessionell Gebundene. Auch das ist erstaunlich: wie Christentum und nationale Identität miteinander verknüpft werden. Zugespitzt formuliert: Deutschland und Christentum werden hier miteinander identifiziert.

 

Das Bekenntnis zum Christentum fördert offenbar die Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. Ich will es kaum fassen und suche nach einer anderen Studie, und siehe da: Eine EKD-Studie aus dem Jahr 2015/2016 kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Wenn christlicher Glaube mit Absolutheitsansprüchen verbunden ist, kann dies zu intoleranten Haltungen führen. Auf der anderen Seite allerdings: Wo Christen ihren Glauben mit der Würde des Menschen verbinden, kann er zu einer Widerstandskraft gegenüber intoleranten, abgrenzenden Haltungen werden.

 

Mein Verhältnis zu Gott hat Konsequenzen, wie ich mit meinem Nächsten umgehe: Er ist ein von Gott geliebter Mensch wie ich. Solch eine Sicht kann nicht zu Intoleranz und Ausgrenzung führen. Zu einem solchen Glauben und einer solchen tätigen Nächstenliebe anzuregen, bleibt nach wie vor Aufgabe der Kirchen und jedes Einzelnen.

 

Doch an diesem eingangs erwähnten Abend auf dem Podium merke ich: Da liegt ein langer Weg vor uns. Christen haben seit Jahrhunderten die Kultur in Deutschland und Europa geprägt. Heute sollten wir diese Kultur auch weiter prägen: wir sollten zu Toleranz und einem menschenfreundlichen und friedlichen Miteinander beitragen zwischen den unterschiedlichen Religionen. Toleranz ist Nächstenliebe.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

07.09.2018
Dirck Ackermann