Trotzig und tapfer

Wort zum Tage
Trotzig und tapfer
Wort zum Tage mit Pfarrer Michael Becker
28.09.2019 - 06:20
29.08.2019
Michael Becker
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Es war Nacht, die Ostsee hatte starken Wind und hohen Wellengang. Bei der Fähre „Estonia“ brachen die Halterungen der Bugklappe, viel Wasser schwappte ins Schiff. Alles geschah in wenigen Minuten. Die Fähre auf dem Weg von Estland nach Stockholm bekam erst Schlagseite, dann sank sie innerhalb von 15 Minuten - heute Nacht vor fünfundzwanzig Jahren. 850 Menschen kamen ums Leben, wenige überlebten. Das alles sind nur dürre Worte für das größte europäische Schiffsunglück in Zeiten des Friedens. Es gab viele Untersuchungen, es gab Schuld bei Menschen und Material. Manches hätte man vorher wissen können, anderes war nur schwer vorhersehbar. Und was war mit Gott bei diesem Unglück?

Ich muss mich das immer fragen. Ich weiß, was viele antworten. Das habe doch mit Gott nichts zu tun, sagen sie. Das Material, ein eher unerfahrener Kapitän, falsche Entscheidungen. Das alles wird stimmen. Aber es beruhigt mich nicht. Die Schuld von Menschen ist das eine. Die Verantwortung Gottes das andere. Es kann nicht sein, denke ich, dass Gott damit nichts zu tun hat. Dass er irgendwo zusieht, was wir tun und lassen. Gott ist doch kein fernes Etwas, dem alles irgendwie egal ist. Und schließlich gibt es hundert andere Ereignisse, die allesamt gut ausgehen. Wo Menschen schuldig werden und Material schlecht ist, aber kein Mensch zu Schaden kommt. Was denkt sich Gott, frage ich mich, bei diesem und jenem? Warum gibt es Fehler mit schweren Folgen - und andere Fehler bleiben ohne Folgen?

Ich weiß es nicht. Das ist das Furchtbare. Ich weiß es nicht. Vermutlich kann uns das keiner erklären. Und vielleicht wäre es auch nicht Gott, wenn wir ihn erklären könnten. Ich habe manchmal nur die Möglichkeit, Gott zu ertragen. Seine Güte anzunehmen, möglichst voller Dankbarkeit. Und seine Rätsel zu ertragen. Gott ist leider oft ein Rätsel. Flinke Erklärungen helfen da nicht. Nur eins kann wirklich helfen. Dass ich die Rätsel trage - und dann noch einen Schritt machen; nämlich trotzig und tapfer Gott an seine Güte zu erinnern: Du hast deinen Engeln befohlen, dass sie mich behüten auf allen Wegen. Lass es mich bitte auch fühlen, Gott.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

29.08.2019
Michael Becker