Über Grenzen hinaus

Wort zum Tage
Über Grenzen hinaus
29.03.2016 - 06:23
11.01.2016
Pfarrer Klaus Möllering

Ostern – davon erfahre ich etwas, wenn ich wage, mich über meine Grenzen hinaus tragen zu lassen. Und darauf vertraue, dass es auch hinter dem Horizont weitergehen wird – wenngleich wohl anders, als ich mir das vorstellen kann.

 

Die alte Dame, die von mir, ihrem Pfarrer, darüber Genaueres wissen wollte, sah erst einmal nur die Grenze. Das Ende ihres Lebens. Und es beunruhigte sie sehr, dass sie so gar nicht wusste, wie und ob es überhaupt nach ihrem Tode weitergehen würde. „Wissen Sie“, vertraute sie mir an, „ich habe nur einen so kleinen Glauben.“ Und sie erzählte, wie ihr Glaube so klein geworden war unter allem, was die fast einhundert Jahre ihres Lebens mit sich gebracht hatten: Wie er zerbröselt war unter der Härte, die in ihr selbst genauso wie in ihrer Familie noch aus den strengen Zeiten unter Kaiser und Führer steckte, und die sie einfach nicht los wurde. Da gab es Regeln, es gab richtig und falsch – und danach habe sie doch nur eine recht gemischte Lebensbilanz vorzuweisen. Aber eigentlich könne sie überhaupt nicht mehr an den Gott glauben, der sie in Kriegszeiten so viel Schreckliches erleben ließ. „Aber – das habe ich auch irgendwie immer überlebt“, erinnerte sie sich dann nach einer Pause. „Eigentlich kann ich nur daran glauben, dass ich da wohl immer einen Schutzengel gehabt habe. An mehr nicht. Aber“, so fragte sie mich zweifelnd, „wird das denn reichen?“

 

Wer bin ich, dachte ich, dass ich darauf mit einem harten „Nein“ antworten könnte? Aber ebenso wenig mit einem großzügigen „Ja, gewiss“. Die Antwort muss ich doch Gott überlassen.

 

 

Zum Glück hat Jesus selbst dazu mal eine Antwort gegeben, in einem ähnlichen Gespräch. Mit einem, der auch alles richtig machen, den Regeln folgen wollte; aber sich trotzdem nicht sicher war, ob das genügen würde. Deshalb kam Nikodemus zu Jesus, nachts, es sollte keiner merken. Denn Nikodemus sorgte sich um seinen guten Ruf. Sicher, Jesus hatte bei Vielen großen Eindruck hinterlassen, er hatte ihr Leben verändert. Aber das waren häufig doch recht einfache Menschen gewesen, fand Nikodemus, ohne Bildung, manche auch mit zweifelhaftem Ruf. Bei ihm dagegen, einem aus den besseren Kreisen, einem Intellektuellen, stand doch mehr auf dem Spiel mit der Frage: Würde sein Glaube reichen?

 

Du musst bereit sein, dein Leben noch einmal ganz anders anzufangen, macht ihm Jesus klar. „Lass dich vom Glauben tragen, über Deine Grenzen hinaus. So wie Wasser trägt, trägt Dich auch Gottes Geist. Die vielen Regeln, die Bilanz, die Du hier auf Erden ziehst, das kannst Du dann hinter dir lassen.“ „Was zählt,“ sagt Jesus: „ Gott will dich nicht verurteilen, er will dich verändern. Verwandeln. Dafür bin ich hier.“

 

Warum sollte das bei der alten Dame, ja: bei jedem von uns nicht genauso sein?

11.01.2016
Pfarrer Klaus Möllering