Überraschung ist die Art des Gartens

Wort zum Tage
Überraschung ist die Art des Gartens
31.07.2020 - 06:20
09.07.2020
Eberhard Hadem
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Ein Freund von mir geht gerne in die Berge. Dort oben – so sagt er – fühlt er sich Gott näher. Herausgehoben sein, das macht einen Berg für ihn zu etwas Besonderem. Ein Garten dagegen ist eher Ebene und Alltag. Hier kann es passieren, dass ich von Gott überrascht werde. Ich erinnere mich an einen Besuch bei einer alten Dame am Tag nach ihrem Geburtstag. Wir sitzen eine Weile in ihrem Garten und genießen die Ruhe. Dann sagt sie: „Wenn ich traurig bin, gehe ich hierher in meinen Garten; der tröstet mich. Das geht nicht automatisch. Im Gegenteil: Ich verbringe viel Zeit hier und scheinbar geschieht nicht viel. Aber dann überwältigt mich, was ich plötzlich entdecke: Eine winzig kleine Pflanze, die sich gegen größere und gegen jede Gartenweisheit durchgesetzt hat. Dann denke ich mir: Was die kann, kann ich auch.“

Überraschung ist die Art des Gartens. Es kommt nicht von ungefähr, dass in vielen Kunstwerken der Engel Gabriel der Maria die Geburt Jesu in einem Garten ankündigt. Offenbar ein Ort, an dem Gott den Menschen überrascht. Und am Ende des Lebens Jesu ist es nicht anders, als der auferstandene Jesus die traurige Maria von Magdala im Garten überrascht. Auf der Suche nach dem Leichnam Jesu läuft sie zu den Jüngern und klagt: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Ratlos läuft sie zurück in den Garten, in dem sich das Grab Jesu befindet. Sie weint. Dann wendet sie sich um (Joh. 20, 14 – 16), sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: ‚Frau, was weinst du?‘ Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: ‚Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.‘

Zweimal heißt es: Maria wandte sich um. Das erste Mal denkt sie, es sei der Gärtner und im Vorübergehen bittet sie diesen zwar um Hilfe, aber sie erwartet nicht wirklich Hilfe von ihm. Sie ist schon weitergegangen, unruhig und ziellos irrt sie herum in ihrer Verzweiflung. Doch dann spricht Jesus sie mit ihrem Namen an: Maria. Als sie ihren Namen hört, dreht sie sich ein zweites Mal um, jetzt wirklich zu ihm, jetzt erkennt sie ihn.

Überraschung ist die Art des Gartens. Wie oft habe ich vielleicht mit Jesus zu tun, in meinem Gegenüber oder an meiner Seite, ohne ihn zu erkennen? Wie viele Wunder gehen an einem vorbei, ohne dass man sie wahrnimmt? Also möchte ich lieber für Überraschungen offen bleiben und womöglich ein Wunder im eigenen Lebensgarten entdecken, das mir blüht. Dann soll es – so habe ich gehört – manchmal sogar rote Rosen regnen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

09.07.2020
Eberhard Hadem