Warten

Wort zum Tage
Warten
14.12.2020 - 06:20
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Bitte warten… Je nachdem, wie ich gerade drauf bin, kann mich diese Telefonansage wahnsinnig machen. Ich will etwas wissen, etwas bestellen, etwas klären und komme nicht dran. Ich halte den Hörer in der einen Hand und trommle mit der anderen auf der Tischplatte. Bitte warten… Ich dreh durch. Dabei warte ich manchmal richtig gerne; und sogar mit Genuss.
Im Kino zum Beispiel, dass das Licht ausgeht. Oder die drei Minuten, die der Tee zieht. Im Theater auf die Dirigentin im Orchestergraben. Ich warte auf den neuen Roman von John Irving.

Anders und noch mehr warte ich auf unsere Enkelkinder, dass sie durchs Treppenhaus steigen und ich sie rufen höre. Erwartungsvolles Warten, also, Warten mit Vor-Freude. Dann entsteht etwas. In mir. Als wäre es schon da, das, worauf ich warte. Ich umarme, höre, schmecke es schon fast

Dann warte ich nicht ab - ich warte auf etwas hin.

Das hat viel mit Hoffen und Freuen zu tun. Und das ist adventlich! In dieser Wartezeit auf Weihnachten machen es sich viele Menschen schön. Sie pflegen liebgewordene Gewohnheiten, zünden Kerzen an, haben einen Adventskalender am Stammplatz aufgehängt, Fenster geschmückt, backen Stollen. Warten mit Vorfreude. Und es tut gut, das zu gestalten.  Für mich kann das Warten in der Adventszeit gar nicht lang genug dauern. Als wäre da tatsächlich mal der Weg das Ziel, also nicht Weihnachten zu feiern, sondern die Adventszeit Tag für Tag zu gestalten. Heiligabend kommt ganz von selbst.

Ähnlich wie das Kinderkriegen. In freudiger Erwartung sein, dieser alte Begriff beschreibt die Zeit, bevor das Kind zur Welt kommt, so schön. Schwanger sein bedeutet, guter Hoffnung sein. Ich selbst habe diese Monate damals auch sehr bewusst genossen. Ich war im wahrsten Sinn des Wortes in freudiger Erwartung. Die Freude war schon vor der Geburt da. Und die gute Hoffnung! So zu warten qualifiziert die JETZT-Zeit. Wenn ich so warte, bin ich schon berührt und beschenkt von dem, worauf ich warte. Das verwandelt mich.

Im Französischen heißt warten attendre - das bedeutet so viel wie sich nach etwas ausstrecken, ich warte und wachse dem entgegen, als würde ich mich auf die Zehenspitzen stellen, ich wachse über mich hinaus. Freude ohne Erwartungsdruck. Sogar genau das Gegenteil.

Denn der Engel sagt seinen Lieblingssatz nicht erst an Weihnachten und nicht nur zu den Hirten. Sondern lange vorher zu Maria: Fürchte dich nicht.

Es gilt das gesprochene Wort.