Wenn Kirche nicht alles ist

Wort zum Tage
Wenn Kirche nicht alles ist
11.05.2017 - 06:20
07.05.2017
Pfarrer Rainer Stuhlmann

„Jesus verkündete das Reich Gottes, was kam, war die Kirche“. Mit Ironie hat der katholische Theologe Alfred Loisy zu Beginn des 20. Jahrhunderts formuliert, was er erkannt hat. „Jesus verkündete das Reich Gottes, was kam, war die Kirche“. Die Differenz zwischen Kirche und Reich Gottes hat den Theologen zu einer realistischen und darum bescheidenen Sicht seiner Kirche inspiriert und zur Demut angeleitet. Statt die Kirche zu überhöhen und mit idealen Ansprüchen hoch zu jubeln und schön zu reden, hat er zu einer Ehrlichkeit gefunden, seine Kirche kritisch zu sehen.

 

Alfred Loisy wollte dem Triumphalismus seiner Kirche wehren. Seine konservativen Gegner nannten ihn abschätzig einen „Modernisten“. Der Papst erließ ein Lehrverbot und exkommunizierte ihn. Aber auch nach hundert Jahren erinnert man sich in Theologie und Kirche noch an ihn. Was er sich wünschte, hat die Kirche mehr und mehr gelernt. Nämlich sich den Herausforderungen der Moderne zu stellen und sie als Aufgaben zu begreifen, statt sie ängstlich oder trotzig ab zu wehren.

 

Alfred Loisy war ein französischer Zeitgenosse des englischen Komponisten Edward Elgar. Beide Katholiken. Der Engländer hat zur gleichen Zeit das Oratorium „The Kingdom“ komponiert. Der Titel spricht zwar vom „Reich Gottes“, sein Inhalt aber sind die ersten Wochen der gerade entstehenden christlichen Kirche. Text und Musik suggerieren eine triumphale Kirche, die durch machtvolle Amtsträger repräsentiert wird.

 

In Elgars Oratorium wird die Kirche zur Verkörperung des Reiches Gottes. Trotz der auch nach hundert Jahren beeindruckenden Musik sind kritische Fragen nötig. Denn ein trotziger kirchlicher Triumphalismus hilft angesichts der Herausforderungen der Moderne kaum weiter.

 

Die Ostergeschichten lehren es uns. Nicht die Kirche hat zu triumphieren. Triumphieren tut hier nur einer, der Sieger über Tod und Teufel. Aber der entzieht sich denen, die an ihn glauben. Und er bleibt ihnen entzogen. Ihnen bleibt, nach ihm Ausschau zu halten. Und wie Jesus das Reich Gottes zu erwarten, statt es in einer triumphalen Kirche zu verkörpern.

 

So werde ich angeleitet in das jüdische Psalmgebet (71,5) einzustimmen: „Du bist meine Zuversicht, HERR (und sonst niemand). Du, mein Gott, bist meine Hoffnung von meiner Jugend an (und nichts sonst)“.

07.05.2017
Pfarrer Rainer Stuhlmann