Wo das Licht eindringt

Wort zum Tage
Wo das Licht eindringt
14.04.2015 - 06:23
30.03.2015
Pastor i.R. Dietrich Heyde

Dunkel ist seine Stimme, beschwörend und rau. Leonard Cohen, der Mann mit dem schwarzen Hut, begeistert mit seinen Liedern seit Jahrzehnten die Menschen. Ich saß im Auto meines Freundes, als ich ihn zum ersten Mal hörte und horchte auf bei dem Titel „Born in Chains / In Ketten geboren“:

„Ich wurde aus Ägypten geführt“, heißt es da. „Schwer war die Last, die ich tragen musste / Aber die Last, sie wurde mir abgenommen, / O Herr, ich kann dies Geheimnis nicht länger für mich behalten / Gesegnet ist der Name / Blessed is the Name.[1]

 

Angespielt wird auf den Exodus, den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Mose hatte es nach langer Knechtschaft herausgeführt. Das war vor etwa dreitausendvierhundert Jahren. Jüdischer Tradition gemäß nimmt Cohen dieses Ereignis der Befreiung so auf, als wäre es heute geschehen und er selbst mit befreit worden. Als er am 24. September 2009, drei Tage nach seinem 75. Geburtstag, im Ramat-Gan-Stadion in Tel Aviv auftrat, war das wie eine Heimkehr zu den Wurzeln seines Volkes.

 

Ich hörte weitere Lieder des kanadischen Sängers und war von seinen geflüsterten, fast gehauchten Meditationen stark bewegt. Cohen hat ein tiefes Wissen um die Gebrochenheit von Mensch und Welt. Immer wieder taucht in seinen Liedern das Wort „broken/gebrochen“ auf. „There is a crack in everything“, heißt es in einem seiner Lieder. „Da ist ein Riss (ein Sprung) – in allem, in jedem.“ Den hat er auch an sich selbst erfahren. Jahrzehntelang lähmten ihn Depressionen, die er mit Alkohol- und Tablettenkonsum, mit Pillen und Drogen versuchte in den Griff zu bekommen. Doch er fand den Weg ins Freie. Nicht zuletzt durch einen längeren Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster. Und ganz leibhaftig hat er es erfahren: „Ich wurde aus Ägypten geführt / Die Last, sie wurde mir abgenommen / Ich will dies Geheimnis nicht länger für mich behalten.“

 

Und Cohen nennt das Geheimnis. Nicht vollmundig, sondern leise und mit einer Stimme, die wie ein Jahrtausend altes Echo der von der Last Befreiten ist: There is a crack in everything / That’s how the light gets in. Da ist ein Riss, ein Sprung in allem, in jedem. Aber eben da kommt das Licht herein. Wo der Riss ist, dringt das Licht ein, das heilt und uns neu anfangen lässt; Licht, das uns Menschen lehrt zu leben – mit unserer Gebrochenheit.

 

[1] I was taken out of Egypt / I was bound to a burden /

 But the burden it was raised / Oh Lord I can no longer keep this secret /,

 Blessed is the Name / The Name be praised. (1.Strophe)

30.03.2015
Pastor i.R. Dietrich Heyde