Zufall

Wort zum Tage
Zufall
24.09.2018 - 06:20
27.07.2018
Diederich Lüken
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In einem Seminar für bildende Kunst erblickte ich ein Kunstwerk von einer Teilnehmerin dieses Kurses, das mir ausgesprochen gefiel. Es enthielt wunderbare Schlieren und schillernde Farbfelder. Ich spendete der Malerin ein ausführliches Lob. Sie aber entgegnete: „Ach, das meiste ist doch nur Zufall gewesen.“ Ich entgegnete: „Ach wissen Sie, der Zufall ist das Pseudonym, das der liebe Gott wählt, wenn er inkognito bleiben will.“ Die Malerin wirkte etwas geschockt. Sie meinte: „Glauben Sie das wirklich? Einen solchen Glauben kann ich nicht teilen. Ist das nicht reichlich naiv und zudem noch weltflüchtig, so an Gott zu glauben?“ Ich antwortete mit dem Hinweis, dieser Spruch sei nicht von mir, sondern immerhin von Albert Schweitzer. Diesen Mann könne man nun schwerlich der Naivität und der Weltflucht bezichtigen. Im Gegenteil; Schweitzer war rastlos der Welt zugetan als Philosoph, Theologe, Musiker und Arzt. Im Alter von 38 Jahren folgte er seinem inneren Antrieb, ging nach Gabun und gründete in Lambaréné sein bekanntes Urwaldhospital. Er überließ sein Leben und seine Lebensaufgabe weder dem Zufall noch einem inkognito bleibenden Gott, sondern packte an, wo es ihm notwendig erschien. Damit half er vielen Menschen dort, damit brachte er es bis zum Friedensnobelpreis. Für viele wurde er zu einem Retter in Krankheit und Todesgefahr. Für manche war das Wirken Schweitzers ein Handeln Gottes. Für die meisten Patienten blieb Gott allerdings inkognito, weil ihr Arzt sie nicht missionierte. Aber seine Tätigkeit wurde getragen von dem Glauben an den Gott, der manchmal offensichtlich auf den Plan tritt, viel öfter aber sein Inkognito wahrt. Der Glaube an Gott als den stillen Urheber des Zufalls entbindet einen demnach nicht von seiner eigenen Aktivität. Wenn Gott auch inkognito bleiben will, bedient er sich oftmals eines Menschen, um seinen Willen in die Tat umzusetzen. Dabei muss der Name Gottes gar nicht ausdrücklich erwähnt werden oder auch nur bekannt sein. Es reicht, dass es Leute gibt, die einfach das tun, was sie als ihre Aufgabe und ihre Pflicht ansehen. Rabbi Mosche Löw, eine Kapazität im chassidischen Judentum, sagte es so: „Wenn einer zu dir kommt und von dir Hilfe fordert, dann ist es nicht an dir, ihm mit frommem Munde zu empfehlen: ‚Habe Vertrauen und wirf deine Not auf Gott‘, sondern dann sollst du handeln, als wäre da kein Gott, sondern auf der ganzen Welt nur einer, der diesem Menschen helfen kann, du allein“. So verstanden ist der Zufall, der Hilfsbedürftige und Helfer zusammenführt, eine Wirkung des inkognito bleibenden Gottes. Für wie viele vermeintliche Zufälle mag das gelten?!

 

Es gilt das gesprochene Wort.

27.07.2018
Diederich Lüken