Zwischen drei Welten

Wort zum Tage
Zwischen drei Welten
Wort zum Tage mit Pfarrer Michael Becker
25.09.2019 - 06:20
29.08.2019
Michael Becker
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Nein, sagt die Frau aus Afrika, zuhause bin ich nicht in Deutschland. Ich bin ja nicht gerne weggegangen von daheim. Es war eher aus Not. Ich wollte lernen, studieren, arbeiten. Das alles ging nicht in meinem Dorf in Afrika. Meine Eltern wollten immer mein Bestes, das weiß ich. Nur weggehen sollte ich auf keinen Fall. Bin ich aber doch, vor zwölf Jahren, mit Anfang zwanzig. Mein Onkel half mir mit Geld. In Deutschland konnte ich Abitur nachmachen. Und dann Medizin studieren, mein Herzenswunsch. Im Studium ging’s mir gut. Auf der Straße und in Geschäften oft nicht. Meine Hautfarbe macht wohl Angst und stößt auf Abwehr, es gab oft dumme Sprüche; zweimal auch richtig böse Worte, Beleidigungen. Nein, zuhause bin ich hier nicht.

In meiner Heimat aber auch nicht mehr, sagt die Frau aus Afrika. Ich besuche ja manchmal meine Eltern, meine Brüder in Nigeria. Im Dorf schauen sie mich immer seltsam an; vielleicht wegen meiner Kleider, meiner Frisur. Als gehörte ich nicht mehr zu ihnen. Auch die, die ich noch von früher kenne, drehen sich manchmal weg. Vielleicht sind sie ein bisschen neidisch. Oder sie fürchten, ich stecke sie an mit etwas. Manche glauben ja an böse Geister. Ich könnte jetzt nicht mehr dorthin zurück, sagt die Frau. Ich lebe jetzt zwischen zwei Welten.

Eigentlich zwischen drei Welten. Es gibt ja auch Pedro, meinen Liebsten. Der ist auch Arzt. Im gleichen Krankenhaus. Und wohnt dort drüben um die Ecke, sagt die Frau und zeigt auf ein großes Haus. Mein Freund ist aus Kolumbien, Südamerika. Die große Welt ist ja klein geworden. In ein paar Stunden fliegt man heute alles ab. Afrika, Deutschland, Südamerika. Da gibt’s oft kein richtiges Zuhause mehr. Für mich aber Pedro. Zuhause bin ich in seinem Herzen. Wir erzählen uns oft von früher, unseren Dörfern, dem Essen, den Schulen und wie wir damals zur Kirche gegangen sind. Klein waren unsere Kirchen. Groß sind sie oft in Deutschland. Wenn wir unterwegs sind, gehen Pedro und ich auch mal in eine der großen Kirchen. Da staunen wir. Manchmal halten wir uns an der Hand, zünden Kerzen an für unsere Familien und Nachbarn. Und wünschen uns dann, dass Gottes Herz groß genug ist für uns alle.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

29.08.2019
Michael Becker