Alternativen zu Europa

Alternativen zu Europa
Pfarrer Gereon Alter
29.04.2017 - 23:55
21.12.2016
Gereon Alter

Guten Abend, meine Damen und Herren.

"Ihr müsst ehrlich sein. Und Ihr müsst Euch Europa etwas kosten lassen.“ So hat sie es zwar nicht gesagt. Aber ich glaube, sie würde es heute genau so sagen. Katharina von Siena, die Patronin Europas. Heute jährt sich ihr Todestag.

Sie hat im 14. Jahrhundert gelebt und war eine schlichte Ordensfrau. Aber was sie für die Einheit und den Frieden in Europa getan hat, ist bis heute beispielhaft. Denn sie war eine äußerst gefragte Beraterin. Sie hat es geschafft, Kaiser und Päpste an einen Tisch zu bringen, verfeindete Stadtstaaten miteinander zu versöhnen … es lohnt sich, die Geschichte dieser Frau einmal nachzulesen! – Lässt sich von ihr nicht vielleicht etwas für unser heutiges Europa lernen? Ich meine: Ja! Zweierlei.

Das Erste: Eben dieses „Ihr müsst ehrlich sein.“ Katharina von Siena ist eine Frau des offenen und ehrlichen Wortes gewesen. Was sie gesehen hat, das hat sie beschrieben. Und was sie geärgert hat, das hat sie klar gesagt. Egal, ob es die Kirche, die Gesellschaft oder die Politik betraf. Egal auch, wer ihr Gegenüber war. Mit politischer Korrektheit und geistigen Schubladen konnte sie nicht viel anfangen. Sie hat mit dem Papst genauso gesprochen wie mit dem Bürgermeister oder einer ihrer Ordensschwestern.

"Ihr müsst ehrlich sein.“ – Was hieße das heute? Nehmen wir die aktuelle Kriminalstatistik als Beispiel. Wenn sie denn eine bestimmte Personengruppe als besonders anfällig für Straftaten beschreibt, dann darf das nicht verheimlicht werden. Dann muss es gesagt und gedeutet werden. Immerhin ist das ja nun Anfang der Woche endlich gelungen. Aber wie lange ist um dieses Faktum herum laviert worden!

Oder, liebe Frau Merkel: Wenn Sie denn der Auffassung sind, dass eine Türkei, wie sie sich gerade neu konstituiert, nicht zu Europa passt, dann sagen Sie es doch bitte ganz klar und ziehen Sie die entsprechenden Konsequenzen. Bei aller notwendigen Diplomatie: ich glaube nicht, dass uns ein fortwährendes Taktieren hier weiter bringt.

"Ihr müsst ehrlich sein.“ Auch wenn es weh tut. Das ist das Erste, an das mich Katharina von Siena in diesen Tagen erinnert.

Und das Zweite: "Ihr müsst Euch Europa etwas kosten lassen.“ Einheit und Friede haben ihren Preis. Bei der Patronin Europas kommt diese Einsicht aus einer tiefen Verbundenheit mit Jesus Christus. Dem war das Wohl anderer wichtiger als sein eigenes Wohl. Und das hat er sich etwas kosten lassen – am Ende sogar sein eigenes Leben. Das wird vielleicht nicht jeder nachvollziehen können. Aber doch zumindest den Grundgedanken:
 

 

Ohne "die Anderen“ geht es nicht. Ein barsches "Britain zuerst!“ oder "Frankreich zuerst!“ stiftet weder Einheit, noch Frieden. Und ein deutschtümelnder Neonationalismus schon gar nicht.

"Ihr müsst Euch Europa etwas kosten lassen.“ Ja, dann mag es ein Europa der zwei oder drei Geschwindigkeiten geben. Aber das ist doch allemal besser als ein Europa, das den, der nicht mitkommt, ausschließt, und den, der vermeintlich gut da steht, sein eigenes Süppchen kochen lässt. Ja, dann werden wir Toleranz auch gegenüber anderen Religionen aufbringen müssen. Aber das ist doch allemal besser, als ein "Christliches Abendland“ zu beschwören und damit ein "Europa gegen andere“ zu meinen. Und ja, dann werden wir uns auch unsere Sicherheit etwas kosten lassen müssen. Aber das ist doch allemal besser, als unsere Freiheit aufzugeben.

"Ihr müsst ehrlich sein. Und Ihr müsst Euch Europa etwas kosten lassen!“ Ich glaube, dass uns die Patronin Europas da auf eine ziemlich gute Spur führt. – Eine erholsame Nacht und einen gesegneten Sonntag!

21.12.2016
Gereon Alter