"Alle sind Geschwister"

"Alle sind Geschwister"
von Pastoralreferentin Lissy Eichert
17.10.2020 - 23:50
25.09.2020
Lissy Eichert

 

„Fratelli tutti“!

Klingt wie eine Eissorte. Ist aber der Titel eines Papstschreibens. Papst Franziskus wendet sich an „fratelli tutti“, an „alle Geschwister“, an die Menschheit. Und spricht dabei ein ganzes Bündel von Krisen an. Auch die Wunden, die Corona schlägt. So vieles steht auf der Kippe, das verunsichert. Sorgt für gesellschaftlichen Zündstoff. 

Denn Krisen sind ja auch ein idealer Nährboden für falsche Propheten und Verschwörungstheorien. Oder für Regierungsentscheidungen, die nationalistisch und unsozial sind.

Papst Franziskus setzt dagegen, dass wir alle  -weltweit - Geschwister sind. Er erinnert an die biblische Erzählung vom barmherzigen Samariter: Da wird ein Mann überfallen, liegt ausgeraubt und verletzt im Dreck. Während die Frommen und Wichtigen ihn halbtot liegenlassen, kümmert sich ausgerechnet ein Fremder um ihn. Der Mann aus Samarien zeigt Mitgefühl. Nimmt sich Zeit und hilft. Dieser eine ist ihm nicht egal.

So ein persönlicher Einsatz ist auch in der Politik notwendig. Ob in der  Flüchtlingsfrage oder der Klimakrise, im Umgang mit politischer Hetze oder mit Corona:

Immer geht es um Beziehung. Sehe ich im anderen eine Schwester, einen Bruder, verändert sich meine Haltung. Der Papst nennt es soziale Freundschaft.

„Keiner rettet sich allein“, schreibt Franziskus. Gilt auch für einen möglichen neuen Lockdown. Mir hilft es zu wissen, dass wir als Geschwister zusammen gehören und – wenn’s denn gut läuft -, gemeinsam was tun können gegen Angst und Erschöpfung.

Meine Mama, zum Beispiel: Sie lebt im Heim. Sie ist umsorgt, sorgt sich zugleich aber auch um andere - etwa um mich -, und betet viel.  Oder, anderes Beispiel:  Freiwillige aus meiner Gemeinde kochen seit März an vier Tagen der Woche eine warme Mahlzeit. Arme und Obdachlose verlassen sich darauf.

Und wenn ich mal selbst nicht mehr kann oder unter die Räuber falle, will ich darauf hoffen, dass mich jemand findet, der zupackt. Ohne lange zu fragen.

Der Titel „fratelli tutti“ geht auf den heiligen Franz von Assisi zurück. In seinem „Sonnengesang“, einem Loblied auf Gott, besingt er „Bruder Sonne“ und „Schwester Mond“, „Schwester Wasser“ und „Mutter Erde“. Sie alle nennt er „fratelli tutti“ – Geschwister. Menschen, Tiere, Pflanzen – alles Geschöpfe Gottes. Alle Geschwister.

Mich fasziniert seine Perspektive. Es ist ja zum Beispiel ein himmelweiter Unterschied, ob ich Wasser als „Schwester“ sehe oder als Ware. Schon heute werden Kriege um das Wasser geführt; und es drohen noch mehr zu werden.

Mit Egoismus oder Nationalismus ist aber keine bessere Welt zu schaffen. Auch kein globales Übel wie eine Pandemie zu besiegen.  

„Krise“ heißt auch Wendepunkt. Jetzt ist der Punkt, sich für „Fratelli tutti“ – für alle Geschwister zu entscheiden.

Übrigens: Franz von Assisi nannte seinen Leib augenzwinkernd „Bruder Esel“.

Gönnen wir dem „Esel“ jetzt eine gute Nacht und allen Geschwistern einen guten Morgen.

 

25.09.2020
Lissy Eichert