Eltern und Kinder

Eltern und Kinder
Pastor Christian Rommert
30.03.2019 - 23:50
02.01.2019
Christian Rommert

Gestern hat mich schon wieder jemand aus meiner Generation gefragt:

„Erlauben Sie Ihren Kindern auch, die Schule zu schwänzen?“

„Wie finden Sie das denn, Herr Pastor?“  „Können die nicht nach der Schule demonstrieren?“

„Was soll das mit der Schulschwänzerei?

„Das geht doch nicht!“ 

Meine Antwort: So langsam verliere ich die Geduld: Fridays for Future! Das nervt! Aber nicht die Schülerinnen und Schülern nerven ­– im Gegenteil… es sind die Erwachsenen, die mich nerven.

An über 2000 Orten in 123 Ländern protestieren sie – Schülerinnen und Schüler, Studierende, junge Leute. Freitage für die Zukunft. Und nochmal: Ich finde das gut! Ich find es gut, dass unsere Kinder sich so Gehör verschaffen. Mit ihren Ängsten. Mit ihrer Enttäuschung.

Denn: Mit 15 habe ich das genauso gemacht! ´89 - da bin ich als Teenager in Eisenach

auch auf die Straße. Damals fanden uns auch viele naiv. Mit unseren Kerzen. Und unserem Gebet für den Frieden. Jeden Montag. Für unsere Zukunft. Erst in die Kirche und dann auf die Straße. Gegen die Politik der DDR! Ganz ohne zu fragen: ja, darf ich das denn?

 

Mich ärgert es, wie arrogant viele Erwachsene heute mit den Schülerinnen und Schülern umgehen. So, als müssten die erst etwas leisten, bis sie mitreden dürfen. Anstatt den Kindern zuzuhören, werden Forderungen aufgestellt:

„Geht nach der Schule demonstrieren – dann hören wir Euch zu!“

„Lernt erst einmal etwas Anständiges! Ihr versteht eh nicht die Zusammenhänge!“

„Wenn Ihr irgendwann Experten seid, dann dürft ihr mitreden... aber jetzt ... überlasst es bitte den Profis!“ Waren wir damals eigentlich klüger? 89? Hatten meine Freunde und ich als Fünfzehnjährige all die komplizierten Zusammenhänge verstanden?

Damals in der DDR orientierten sich viele in der Kirche an einer anderen Einstellung: Wenn Jesus sagt, den Kindern gehört die neue Welt Gottes, dann macht er deutlich: ... Kinder müssen nicht erst liefern, bis sie mitreden können... Sie müssen nicht erst alles verstehen und jede Menge Erfahrungen machen... Sie haben ein Recht, schon heute gehört zu werden.

Ich habe damals erlebt, wie ich als junger Mensch etwas bewegen konnte. Wie eine Diktatur zerfiel. Natürlich weiß ich, dass ich nur einen winzig kleinen Teil dazu beigetragen habe. Bestimmt nicht der Rede wert. Aber: Ich fand in unseren Kirchen damals Orte, an denen ich ernstgenommen wurde. Als junger Mensch. Als Schüler. Als Kind. Kirchen öffneten ihre Räume – auch für uns: die Jungen. Wir durften mitreden. Wir waren willkommen - mit unserer Angst vor der Zukunft. Mit unserer Wut auf die damalige Politik. Mit unserem Willen, etwas zu verändern! Jetzt, wo ich der Ältere und der Pastor bin und andere die Jungen, da sage ich: Fridays for Future! Macht weiter - für uns alle.

 

02.01.2019
Christian Rommert