Genug ist genug?

Genug ist genug?
Wir zählen zu den Spendenweltmeistern bei Katastrophen, aber reicht das?
02.05.2015 - 23:35

Es ist gut! Gut, dass wir uns berühren lassen von den Bildern aus Nepal in dieser Woche.

Gut ist, dass wir spenden, um jetzt akut zu helfen. Auch darin sind wir Weltmeister - im Spenden. Ein Zeichen von Mitgefühl. Von Nächstenliebe. Eine Ahnung, dass wir Menschengeschwister sind. Wir als eine der reichsten Nationen Europas. Also helfen wir aus unserem Überfluss heraus. Okay und mehr als okay - unerlässlich, jede Spende, um die dringend notwendige Soforthilfe zu leisten.

 

Auch wenn‘s einen wahnsinnig macht, dass die Verteilung der Hilfsgüter vor Ort nicht klappt, sich Decken, Medikamente stapeln, nicht zu den Menschen gebracht werden können: Die Welle der weltweiten Solidarität mit diesem Land ist gut und tut not.

 

Es war klar, dass das große Beben kommen würde. Ungefähr alle 75 Jahre muss man in Nepal damit rechnen. Aber gehandelt hat man nicht. Nicht erdbebensicher gebaut. Nicht vorgesorgt. Keine Konsequenzen gezogen aus dem letzten Erdbeben, oder eben nicht genügend. - Warum? Weil Nepal eins der ärmsten Länder Asiens ist. Gebeutelt von einer Vergangenheit, in der ein politisches Erdbeben das nächste gejagt hat. Die Demokratie: noch blutjung. Schon ohne Erdbeben hat das Land mehr als genug Probleme. Kaum Infrastruktur, zu wenig Krankenhäuser, zu wenig sauberes Wasser.

 

Solidarität und Nächstenliebe - nicht nur Worte - sondern notwendige Werte, notwendig im wahrsten Wortsinn. Radikale Werte, wenn wir sie ernst nehmen. Sie hören nicht da auf, wo‘s unbequem wird für uns oder wo‘s an‘s Eingemachte geht.

Die humanitäre erste Hilfe läuft jetzt. Und dann? Dann darf es lange noch nicht aufhören.

 

Nur: Wir vergessen so schnell. Wenn die Bilder und Berichte in den Medien verschwinden. Die Flüchtlinge im Mittelmeer. In ein paar Wochen vielleicht auch Nepal. Die aktuellen Berichte aus Nepal kommen jetzt schon weniger vor, es schieben sich andere Themen nach vorne. Aber vor Ort werden die Menschen noch Jahre mit den Folgen des Erdbebens zu tun haben und können sich nicht mit anderen Bildern ablenken.

 

Also: Immer noch mehr abgeben aus dem Überfluss, von unserem Reichtum, auch wenns richtig teuer wird? Ja! Natürlich!„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ sagte Jesus. Oder um‘s mit nur einem Wort zu sagen: Namaste. „Ich grüße den Gott in dir“. So grüßt man sich in Nepal.

 

Nächstenliebe ist radikal - im Sinn von nicht an der Oberfläche des Problems bleiben, sondern „an die Wurzel gehen“, in die Tiefe, an die Ursachen.

 

Was wir tun können? Berührbar bleiben. Und wachsam. Organisationen unterstützen, die vor Ort für sichere Häuser sorgen, bessere Gesundheitsversorgung, sauberes Wasser, Bildung. Es gibt immer mehr solcher Organisationen und Aktionen, die der Politik oft weit voraus sind.

 

Unser Land ist so reich an Geld - und an Werten. Davon können und müssen wir abgeben. Das ist teuer, wird noch teurer. Ist unbequem. Und zutiefst menschlich.