Nicht okay!
Vor einigen Tagen ist mir zum ersten Mal Folgendes passiert: Ich warte an einer Fußgängerampel. Vor mir steht eine wirklich gut aussehende Frau. Sie hat die Kopfhörer auf und hört Musik. Dahinter sehe ich drei Typen. Die machen etwas, was Frauen immer wieder erleben müssen. Hinter dem Rücken der Frau machen sie eindeutige Bewegungen und geben ungebeten Kommentare ab. Und ich steh neben ihnen und … denke mir einiges. Ich hätte ja auch was sagen können. Nein, ich denke nur und bin peinlich berührt.
Es sind ja auch nur Gesten und es ist nur Getuschel. Außerdem will ich auch nicht wie der wohlmeinende Ritter der Worte im Kampf für das schwache Geschlecht aussehen ... So beruhige ich mich und dann wird die Ampel grün. Und wir gehen alle weiter.
Ich habe mich hinterher dann noch sehr lange über mich selber geärgert. Schlagfertigkeit ist halt eine Sache des Nachhausewegs. Mich ärgert das, dass ich gekniffen habe. Seit vielen Jahren engagiere ich mich dafür, Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen. Und eigentlich weiß ich doch, dass es immer mit Worten und Gesten und anzüglichen Kommentaren anfängt. Oder anders gesagt: zuerst sind es Gedanken, dann sind es Worte, dann folgen Taten.
Genau auf diese Dynamik weist auch Jesus einmal hin. Als er während einer Predigt auf das Thema Sex zu sprechen kommt. Da wird er ungewohnt scharf. Vor ihm sitzen – wie damals üblich - vor allem: Männer. Ihnen sagt er: „Ihr kennt das Gebot: »Du sollst nicht ehebrechen«. Ich aber sage Euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen. Darum: wenn Dich Dein rechtes Auge zum Bösen verführt, so reiß es aus und wirf es von Dir. Und wenn Dich Deine Hand zum Bösen verführt: Hack sie ab!“ Harte Worte, die keinen Zweifel daran lassen, was Jesus sagen will: Nein, es ist nicht okay, wie abfällig oder gierig Männer Frauen manchmal anschauen. Nein, es ist nicht okay, wie Männer manchmal über Frauen reden. Nein, es ist nicht okay, wenn Männer Frauen einfach anpacken.
Es ist nicht okay! Seit letzter Woche sind es tausende Frauen, die das unter dem Motto #notokay – nicht okay – ins Internet schreiben. Anlass war ein Video, in dem Donald Trump ätzende, sexistische Bemerkungen über Frauen gemacht hat. Wieder einmal erzählen Frauen ihre Geschichten ... darüber, wie aus den Sprüchen unter der Gürtellinie Taten unter der Gürtellinie wurden. Sie sprechen öffentlich darüber, wie oft es geschieht, dass Männer ungefragt Grenzen überschreiten, Frauen betatschen, Frauen ungefragt intim berühren.
Was können wir tun? Ein Satz von Mann zu Mann: Es ist kein Ausdruck von Stärke, wenn wir uns mit Sprüchen unter der Gürtellinie profilieren. Oft testen Täter, wie weit sie bei Dir gehen können, wie weit Du mitlachst, ob Du ein Verbündeter sein könntest. Also setzen wir als Männer lieber früh ein Signal und sagen: „Sorry, nicht okay! Lass das Gerede!“
Was können wir sonst noch tun? Wir können unsere Söhne sensibilisieren, dass sie Stopp sagen zu Gedanken und zu Worten durch die Frauen abgewertet werden, so wie Jesus es fordert. Und wenn ich das nächste Mal an der Ampel stehe? Was soll ich dann machen? Ich habe mir für das nächste Mal ein paar Worte zurechtgelegt. Ob sie helfen, das weiß ich noch nicht. Aber Hauptsache ist, dass ich den Mund aufmache.