Pfingsten – nicht alles im Griff

Pfingsten – nicht alles im Griff
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
19.05.2018 - 23:35
12.01.2018
Dr. Wolfgang Beck

"Na, hast du alles im Griff?" – Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, Sie kennen diese leicht ironische Begrüßung unter Freunden und Kollegen. "Alles im Griff?" Das kann ja niemand ernst meinen. Es sei denn jemand überschätzt sich maßlos.

Als Christen feiern wir an diesem Wochenende das Pfingstfest. Und das geht gerade auf eine Situation zurück, wo Menschen eben nicht alles im Griff hatten.

Der Hoffnungsträger für diese Menschen, Jesus, tot am Kreuz, unerklärliche Erscheinungen im Anschluss, verstörende Berichte, er sei auferstandenen. Seine bisherigen Begleiter, Frauen und Männer, nicht mehr begeistert, sondern völlig verunsichert. Sie hocken hinter verschlossenen Türen und müssen all das klarkriegen. Und dann das Pfingstwunder: Der Heilige Geist bewegt die ängstlichen Menschen. Zuerst entsteht noch mehr Durcheinander. Aber genau da fassen sie Mut und gehen in die Öffentlichkeit. Sie haben wirklich gar nichts mehr im Griff und gehen trotzdem raus vor die Türen – ohne abschätzen zu können, was passiert.

Alles im Griff zu haben, ist nämlich eine allzu vollmundige Behauptung, für Sicherheit und Ordnung sorgen und Gefahren ausschließen zu können. Für manche mag das auch eine verlockende Vorstellung sein. Und die steht wohl im Hintergrund, wenn bei den aktuell verabschiedeten Polizeigesetzen in Bayern Befugnisse – für viele maßlos – ausgeweitet werden. Natürlich ist es gut, wenn die Polizei nicht nur Verbrechen aufklärt und Straftäter ergreift, sondern durch ihre Präsenz möglichst Straftaten verhindert, von Einbrüchen bis zu Anschlägen. Das Schlüsselwort heißt hier aber: Drohende Gefahr. Die Vorstellung, dass dabei alle Menschen als mutmaßliche Täter betrachtet und allein schon auf Verdacht hin überwacht werden dürfen, ohne dass ein Richter darüber zu befinden hat, ist eine gruselige Vorstellung. Man müsste schon sehr geschichtsvergessen sein, um in unserem Land nicht zu sehen, welche Übergriffe aus so weitgehenden Befugnissen entstehen können. Wenn die Polizei auf alle Menschen mit skeptischem Blick schaut und selbst nur unzureichend in ihren Befugnissen begrenzt ist, schadet das auch ihr selbst. Denn das Zusammenleben in einer Demokratie baut ja gerade darauf auf, dass niemand alles im Griff hat. Dass stattdessen Zuständigkeiten aufgeteilt werden, erzeugt Vertrauen.

Die Polizei in unserem Land genießt großes Vertrauen. Ausländische Gäste, die anderes kennen, staunen manchmal über diese positive Rolle der Polizei.  Vertrauen ist das höchste Gut der Polizei. Es sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Ihre Befugnisse schon bei "drohenden Gefahren" und nicht erst bei "konkreten" so stark auszuweiten, dass sie sehr weit in die Privatsphäre eingreifen können, ist problematisch. Und viele tausend Menschen, die in der letzten Woche auf die Straße gegangen sind, zeigen, dass sie sich Sorgen um diese Vertrauensbasis machen. Ich frage mich, warum die Polizisten nicht selbst dagegen protestieren. Sie täten gut daran!

Das Pfingstfest erinnert an die Gabe des Heiligen Geistes. Damit ist nicht nur ausgedrückt, dass Gott den Menschen auf besondere Weise nahe ist. Mit dem Pfingstfest ist auch die Zumutung ausgedrückt, die sagt: Du wirst nicht alles im Griff haben! Egal wie verlockend die Vorstellung ist, alles was eventuell passieren könnte, zu regeln. Mit dem Heiligen Geist ist also auch die Gabe verbunden, die Grenzen der eigenen Möglichkeiten auszuhalten. Wo diese Grenzen liegen, ist immer wieder zu diskutieren. Das Pfingstfest zu feiern, bedeutet, sich sagen zu lassen: Ich habe nicht alles im Griff. Gott sei Dank! Ein schönes Pfingstfest!

12.01.2018
Dr. Wolfgang Beck