Singles - eine übersehbare Gruppe

Singles - eine übersehbare Gruppe
Das Wort zum Sonntag von Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
25.07.2015 - 23:20

Von kleinen Tricks erzählte mir eine Freundin vor einiger Zeit. Wenn sie einen Tisch reserviert, sagt sie: "wahrscheinlich werden wir drei Personen, aber sicher ist das nicht." Denn sie hat keine Lust, immer vor der Tür zu den Toiletten platziert zu werden. Ich musste schon schmunzeln, als mir die Freundin von ihren kleinen Tricks erzählt hat, die ihr das Leben erleichtern. Sie lebt allein, als Single. Eigentlich nichts Besonderes. Sie leidet nicht mal darunter.

 

Aber als Single hat sie, wie so viele, doch ein paar Herausforderungen des Alltags zu bestehen. Denn dieser Alltag ist in unserer Gesellschaft fast durchgängig auf Paare und Familien ausgerichtet. Allein ins Konzert zu gehen, weil man sich nicht immer von Freunden abhängig machen und auch niemanden nerven will? Da steht man in der Pause schnell blöd rum. In diesen Wochen allein in den Urlaub fahren oder doch lieber mit Freunden?

 

Es gibt unzählige solcher Fragen, die geklärt und bedacht werden wollen. Bis hin zu der Frage, wie ich denn als Alleinstehender im Alter zurecht kommen kann, wenn nicht automatisch ein Partner da ist, von dem ich mir Hilfe versprechen kann. Ganze Gesellschaften ringen um die Fragen, wie verschiedenen Formen der Partnerschaft welche Rechte eingeräumt werden können. Dass der Staat niemanden zu diskriminieren hat und ihn die Frage der sexuellen Ausrichtung von Lebenspartnern nichts angeht, ist gut und mittlerweile in den westlichen Demokratien auch mehrheitsfähig.

 

Alleinlebende oft übersehen

Die teilweise noch heftigen Diskussionen darum, sind nur möglich, weil der Staat in der Vergangenheit sehr massiv gestaltend in die privaten Lebensformen hinein reguliert hat, um über die Ehe Familienförderung zu betreiben. Wäre es nicht hilfreicher, Kinder zu fördern und sich ansonsten als Staat aus der Beurteilung der Lebensformen Erwachsener herauszuhalten? Dies zu diskutieren und vor dem Hintergrund der großen Gruppe der Alleinstehenden zu betrachten, steht wohl noch aus.

 

Bislang jedenfalls spielen die Alleinlebenden in öffentlichen Debatten keinerlei Rolle. Seltsam eigentlich. Vielleicht liegt es daran, dass diese Gruppe so heterogen ist: jüngere und ältere Singles auf der Suche nach Partnern, Verwitwete, Geschiedene und Getrennt-Lebende. Und eben diejenigen, die wie ich als Pfarrer freiwillig diese Lebensform gewählt haben. Und dabei kann ich selbst sagen, dass ich persönlich mit Zölibat und Ehelosigkeit sehr glücklich bin und manchmal staune, dass das für manche provozierend ist.

 

Die Dauer ihrer Lebensform ist bei den Singles ebenso verschieden, wie die Motive. Da gibt es einfach eine ziemlich bunte Mischung. So erklärt sich, dass die Alleinlebenden keine Lobby haben und nicht für ihre spezifischen Rechte eintreten. Und wer bei einer Hochzeit eingeladen ist, hört in der Kirche auch noch biblische Texte, die einen als Single fast wie einen kranken Menschen dastehen lassen. "Wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne dass einer bei ihm ist, der ihn aufrichtet", heißt es etwa im alttestamentlichen Buch Kohelet. Das wird häufig bei Hochzeiten vorgelesen.

 

Singels aus der Bibel

Da wird mancher, der ohne Partnerin und Partner gekommen ist, schon mal schlucken müssen. Dabei ist die Bibel auch hier überhaupt nicht eindeutig und kennt sehr wohl auch die Alleinlebenden. Neben Jesus ist vor allem der Apostel Paulus ein kämpferischer Vertreter der Alleinlebenden und deutet das in der Tradition der Propheten: Die Entscheidung, allein zu leben, soll bei allen Menschen dafür werben, die richtigen Prioritäten zu setzen – sie bewusst zu setzen! Dies Verständnis gefällt mir.

 

Diejenigen, die allein leben, wären dann einfach ein ständiger Hinweis für alle anderen. Leben geht auch ganz anders. Es unterliegt keinem Automatismus. Deshalb musst du nicht so leben, wie es anscheinend erwartet wird.