Staunen lernen

Staunen lernen
Pastorin Elisabeth Rabe-Winnen
23.12.2017 - 23:50
21.12.2016
Elisabeth Rabe-Winnen

Ich freue mich auf morgen., liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, und besonders freue ich mich auf die Kinder -. die werden morgen in unserer Kirche wieder mit staunenden Augen vor dem großen Baum stehen. Und dann singen sie mit roten Wangen: „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder wo wir Menschen sind.“

Kinder können das noch: Staunen über das Wunder der Weihnacht. Das habe ich dieses Jahr im Advent hautnah mitbekommen. Meine Tochter wird bald drei. Und erlebt zum ersten Mal bewusst diese Zeit im Jahr. Die Vorfreude ist schon seit dem ersten Advent in unser Haus eingezogen.

Wir als Erwachsene sind nüchterner als die Kinder. Der Zauber und das Geheimnis - dem sind wir entwachsen. Zugleich schmücken wir die Häuser, entzünden Kerzen, kaufen Geschenke, schreiben Weihnachtspost. Ich glaube: Weil die Sehnsucht nach dem, was die Kinder staunen lässt, doch auch noch in uns wohnt.

Das Staunen ist, denke ich, eigentlich die Haltung, die am besten zur Weihnacht passt. Weihnachten - versteht sich nicht von selbst. Die Hirten trauten ihren Augen kaum. So erzählt es die Geschichte, die altbekannte. Wir lesen sie morgen wieder in den Kirchen. „Es begab sich aber zu der Zeit...“ Und dann kam der Engel und sprach seine Worte gegen die Angst.

Weihnachten ist nicht selbstverständlich. Auch wenn wir die Geschichte schon so oft gehört haben, dass wir nicht mehr staunen wie die Kinder. Es ist eine erstaunliche Geschichte:

Gott zeigt sich - so glauben Christen - als echter Mensch. Verwundbar geboren. Dreckig und klein. Und lässt sich verwunden - später - als Mann. Schweiß tropft, Blut und Tränen.

Gott bleibt nicht im Himmel. Sondern auf ein Mal wird der Himmel ganz nah. Und aus dem Himmel flüstert es „Fürchte dich nicht!“ und Gesang erfüllt die Erde.

Wie können wir das Staunen wieder lernen? Vielleicht so - ganz vorsichtig:

Wir können dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten. Warten. Hoffen.

Und dann: überrascht werden. Berührt sein.

Ich weiß: Es spricht viel dagegen. Ich weiß: wir sind keine Kinder mehr. Ich weiß: der Zauber von damals und die ungestüme ungebremste Freude mussten mit den Jahren weichen oder wurden von Tränen und Enttäuschungen überlagert. Und doch sehnen wir uns.

Ich will mich im Staunen üben. Darin, alles zu hören und zu sehen als wäre es das erste Mal. Wie meine Tochter - und doch anders: Ich will erwachsen staunen - mit dem Kind in mir und zugleich mit allen Erfahrungen, die ich gemacht habe.

Halten wir dem Wunder leise die Hand hin. Und warten. Und dann legt Gott etwas hinein.

„Ein Kind ist uns gegeben.“ Gott gibt es in die Obhut der Welt. Und morgen steh ich wieder an dieser Krippe und unter dem Kreuz und lasse mein Herz füllen vom Weihnachtswunder .

Die Geschichte, die altbekannte, sie endet so: „alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten...“  Also: wundern wir uns wieder!

Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnachten!

 

21.12.2016
Elisabeth Rabe-Winnen