Welttag der Armen

Welttag der Armen
Pastoralreferentin Lissy Eichert
17.11.2018 - 23:35

Am Stadtrand von Berlin hat ein 80 Jahre alter Mann ein Wildschwein erschlagen. Mit dem Beil. Auf einem Parkplatz vorm Supermarkt. Dort hat der Mann – ein gelernter Metzger – es gehäutet, ausgeweidet und die Fleischstücke in eine Kiste gepackt. Er bekam eine Anzeige wegen Jagdwilderei. Seine Rechtfertigung: Er habe das Wildschwein erschlagen, weil er sich so gutes Fleisch sonst nicht leisten könne. Er wollte sich eben auch mal was gönnen.

Klingt komisch und tragisch zugleich. Und es zeigt sich das ganze Dilemma:  Es ist echt bitter, nicht genug Geld zu haben, um gut leben zu können.

In meiner Arbeit bin ich mit Menschen zusammen, die existentielle Nöte kennen: Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Erschöpfung, Pflegebedürftigkeit: Armut hat viele Gesichter. Sozial Benachteiligte haben es schwer. Finden kaum Arbeit und Wohnung. Auch der Zugang zu Bildung und Kultur ist schwierig.

Schon die Angst vor der Armut kann die Seele krank machen. Die Lebensgeister lähmen. Viele fühlen sich abgeschoben aufs Abstellgleis. Und dann, besonders hart, unnütz, ja: überflüssig.

Arme sind raus aus der gesellschaftlichen Jagd nach Glück.

Und natürlich ist es ein Skandal, wenn Menschen nicht von ihrer Hände Arbeit nicht leben können. Oder ein Rentner, der 45 Berufsjahre in den Knochen hat, Pfandflaschen sammelt, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Das geht an die Würde. Ans Gerechtigkeitsgefühl.

Papst Franziskus hat diesen Sonntag zum „Welttag der Armen“ erklärt. Der Mann aus Südamerika weiß, warum er das tut.

Am „Welttag der Armen“ finden in vielen deutschen Bistümern Feste statt – Feste für Arme und mit Armen.

Hier in Berlin hat mein Bischof zu einem großen Gastmahl in die Hedwigskathedrale eingeladen. Auf der Gästeliste Mindestrentner, Familien, die von Hartz-IV leben, Obdachlose, Gestrandete… Essen und miteinander reden. Sich in die Augen schauen. Und  - ich hoffe es - Berührungsängste überwinden. Es geht vor allem um Begegnung. Auf Augenhöhe. Weil es ja oft schwer fällt, den Anblick von Not, mehr noch die die Anwesenheit von Notleidenden auszuhalten. Arme sind weder „ansehnlich“ noch „angesehen“.

Wenn ich Politikern zuhöre, merke ich meist, ob da jemand einen Hartz-IV-Empfänger persönlich kennt. Oder eine Mindestrentnerin. Wer das tut, argumentiert anders. Wenn politisch Verantwortliche mal einen Monat lang selbst auf Hartz-IV-Basis leben würden - ich bin mir sicher: Die Zuverdienstgrenzen würden sich schlagartig ändern. Es würde ein Perspektivwechsel stattfinden.

Einen ungewöhnlichen Sichtwechsel bietet da Jesus Christus an, er sagt:  „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“ (vgl. Mt 24,40)

Heißt: Wo immer wir einer Hungrigen zu essen geben, einem der friert, eine Jacke schenken, Fremden Obdach gewähren oder Verzweifelte in den Arm nehmen, da begegnet uns - Jesus Christus. Wie großartig ist das!    

Ich weiß, weder beim Festessen mit Bischof noch mit Suppenküchen oder Notunterkünften packen wir das Übel der Armut an der Wurzel.

Aber nichts zu tun wäre doch eine Schweinerei!