Vulkanasche
Pfr. Ulrich Haag
24.04.2010 21:30

Der Tag brach an, da hörte das Volk Israel ein Donnern. Vom Berg, an dessen Fuß das Lager stand, stieg eine riesige Wolke auf wie aus einem Schmelzofen. Die Erde unter ihren Füßen bebte, die Luft dröhnte wie von einer riesigen Posaune. Das Volk erschrak, nur Mose wandte sein Gesicht gegen den Berg und schrie. Da antwortete Gott vom Berg her und sprach diese Worte: "Ich bin Gott, keiner sonst. Mach dir kein Bild von mir. Halte den Sabbat. Ehre Vater und Mutter. Töte nicht, brich die Ehe nicht, lüg nicht, stiehl nicht, sei nicht gierig nach dem, was der andere hat."

Ein Berg bebt. Und die Menschen zittern. Sie sehen Gott am Werk. Gott, der uns vor Augen führt, wie klein wir sind. Dass wir nur ein Teil der Schöpfung sind. Nicht Herrscher. Und schon gar nicht die Schöpfer selbst.

Zwei Gesteinsplatten verschieben sich. Eine Erdspalte tut sich auf. Schon wanken die Systeme. Ist wirklich Gott am Werk? Gott, vor dem alle Menschen gleich sind? Urlauber sitzen fest – und Staatpräsidenten. Minister bleiben am Boden. Kanzler tauchen in die Niederungen ein. Wie leicht kann es geschehen, dass man sich an die Vogelperspektive gewöhnt. Und nun: Die ganz Großen und die ganz Kleinen – in einem Stau. Im gleichen Staub. Unter ein und derselben Wolke.

Ein Berg pumpt Asche. Der Wind steht schief. Und schon kommt alles durcheinander. Die Börsenmakler und Finanzfachleute rechnen. Ausgefallene Flüge. Verschobene Geschäftsabschlüsse. Nicht gelieferte Waren. Stornierungen. Hotelrechnungen. Was das kostet! Und was tun mit der ungenutzten Zeit?! Sich nicht rausbringen lassen vor allem. Weiterrechnen und die Rechnung präsentieren. Aber wem?

Nein. Wir sollen uns rausbringen lassen. Irgendwer, irgendwas muss uns stoppen. Wir machen zu viel kaputt, verbrauchen zu viele Ressourcen, plündern die Meere, verschmutzen die Flüsse, versauen die Natur mit Plastikmüll. Gleichzeitig sterben hunderttausend Kinder täglich an Hunger, Landstriche werden mit Bomben überzogen, Dörfer ausgerottet, Familien vertrieben. Wer kann das stoppen? Zu kompliziert sind die internationalen Verflechtungen. Zu filigran sind die Geschäfte, zu fein ist eines mit dem anderen verwoben. Die Maschinerie läuft von selbst. Der Einzelne, und sei er noch so mächtig, empfindet sich nur als Rädchen. Da muss Sand ins Getriebe. So gesehen könnten wir beinahe dankbar sein für jedes Körnchen Asche, das zu uns herüber weht.

Wie empfindlich ist unser System. Und wie einfach, wie unumstößlich die Worte des Ewigen, damals am Sinai, dem Berg, der Feuer spie. "Ich bin Gott, sonst keiner. Halte den Sabbat, achte, was lebendig ist. Sprich die Wahrheit, lass dir genügen."

Daran sollen wir uns orientieren. Darauf soll zielen, was wir tun und was wir lassen. Daran sollen sich unsere Erfolge messen. Dann werden wir Gott wieder verstehen. Die Erde, die Natur wieder lieben samt ihren Katastrophen. Und unseresgleichen wieder menschlich begegnen.

Das Wort zum Sonntag