Gott wohnt Tür an Tür

Feiertagsansprache
Gott wohnt Tür an Tür
Feiertagsansprache: Himmelfahrt
14.05.2015 - 12:00
03.04.2015
Pfarrer Gerhard Engelsberger

Wieso soll Gott nur im Himmel sein?

In den größeren Kirchen Süddeutschlands geschah am Fest der Himmelfahrt Christi etwas Spektakuläres. In der Mitte war der Ölberg als eine Erhöhung aufgebaut, und auf diesem Ölberg stand mit ausgebreiteten Armen ein Christusbild.

 

In feierlicher Prozession versammelten sich nun die Priester und das Volk. Weihrauchdämpfe umgaben das Bild, und langsam schwebte Christus in die Höhe. Zwei Männer in weißen Kleidern erschienen vom Altar her und verkündeten den Versammelten, dass der Hinweggenommene wiederkehren werde. Inzwischen entstand oben auf dem Gewölbe ein furchtbares Getöse, das den Kampf Christi mit dem Teufel darstellen sollte.

 

In Gestalt einer buntbemalten, mit Pech und Schwefel bestrichenen Puppe fiel der Teufel schließlich unter dem allgemeinen Jubel des Volkes in die Kirche hinab. So geschehen im 11. Jahrhundert.

 

Aber auch wenn Jesus in diesem Mysterienspiel immer gewonnen hat: Das Leben „auf Erden“ scheint immer noch eine teuflische Angelegenheit“. Vielleicht ist es nur zu verständlich, dass die Menschen ihre Erde, ihr Land, ihre Stadt für einen gottverlassenen Ort halten: Der Regent hat sich abgesetzt, überlässt einigen hilflosen Statthaltern die Verwaltung des Elends. Eines Tages, so verspricht er, werde er wieder kommen.

 

Aber ich zweifele daran, dass dieses Wiederkommen so sein wird wie in den alten Mysterienspielen. Nicht mit Getöse und versteckten Seilen. Wenn wir die Evangelien recht verstehen, wird Gott dann doch nicht kommen mit der Gewalt des Schwertes, mit der Wucht der Erdbeben und dem Schrecken der Stürme. Er wird kommen und ist schon da im beredten Schweigen einer Wiese und in der taumelnden Liebe zweier Liebenden.

In der Wärme einer zärtlichen Hand, im sanften Spiel des Windes, im Tau über ausgetrockneten Feldern, im Lachen eines Kindes und auf dem Rücken eines Esels ist Gott da.

 

Und so will ich an Christi Himmelfahrt Spuren des unter uns anwesenden Gottes suchen. Der Spielraum für den Teufel wird kleiner, wenn wir nicht dem alten Fehler verfallen: das Trennende suchen, oben und unten, drinnen und draußen. Dieses Denken ist am Ende. Die kommenden Jahrzehnte werden Jahre der Suche sein nach der Wiederentdeckung der Einheit.

Die Einheit der Kirchen, die Einheit von Mann und Frau, von Nord und Süd, von Menschen mit Arbeit und Menschen ohne Arbeit, von Makrokosmos und Mikrokosmos - all das Auseinandergebrochene steht unter der Überschrift „Heilung“ auf der Tagesordnung einer Erde, die immer noch wunderbar ist.

 

Ich weiß, dass wir dazu als Christen ganz Wesentliches beitragen können.

 

 

Wir spüren schon jetzt den Himmel auf Erden

Vielleicht sollten wir anders hören. Und dann spüren wir etwas von der Einheit. Dann spüren wir, wie Oben und Unten, Osten und Westen, Norden und Süden – wie das alles eins wird.

 

Wer schweigt, hört.

Wer die Augen schließt und zur Ruhe kommt, sieht.

Wer glaubt, weiß es.

Wer kämpft, wird mutiger.

Gott wohnt – sagt die Bibel - Tür an Tür, Nachbar bei Nachbar, Haus an Haus.

 

Und deshalb ist die Frage nicht wichtig, ob Gott oben ist und der Mensch unten.

Gott war nie oben.

Gott war immer unten.

Gott hat sich immer gebeugt.

War vielleicht auch einmal ohnmächtig.

Jedenfalls war er nie „jenseits“.

War immer nah und zärtlich bei dir und mir.

Am Krankenbett - in einer Hand die geblieben ist,

bei Krisen – in dem Menschen, der mich ausgehalten, der sich für mich stark gemacht hat.

Und sicherlich auch in dem, der sich mir in den Weg gestellt hat und deutlich sagte: Das jetzt nicht!

 

Wir werden auf neuen Wegen Christen sein.

Und die Wege werden aufeinander zu führen.

Im Nachbarhaus wohnt Gott.

Und daneben wohnt der Physiker, der sagt, dass es keinen Gott gibt.

Gläubige beten gemeinsam im Gotteshaus der anderen Religion.

Christen öffnen ihre Kirchen für Muslime.

Und jeder hat eine Schulter, an der er sich ausweinen kann.

 

Die Frage, wann das sein wird, ist nicht mehr wichtig.

Himmel und Erde sind eins.

Mensch und Mitwelt sind eins.

Die Nachrichtensprecher melden Frieden,

und danach gleich das Wetter.

Und wir werden leben.

Gott wohnt Tür an Tür.

Und bleibt.

03.04.2015
Pfarrer Gerhard Engelsberger