In deutschen Drehbüchern kommt die Notfallseelsorge der Kirchen nicht vor, moniert Markus Bräuer in seinem Artikel, erschienen in der "Welt am Sonntag am 12.06.2011. Kommissare und Gerichtsmediziner sind aber nicht alles
###f02###Doktor, wann ist der Tod eingetreten?" "Genau kann ich es noch nicht sagen. Ich melde mich nach der Obduktion." Der Gerichtsmediziner hat einen festen Platz im deutschen Krimi. Zu Recht genießt sein Berufsstand in den letzten Jahren immer größeres Ansehen. Anwalt der Toten zu sein und zu einer Aufklärung der womöglich auch unnatürlichen Todesumstände beizutragen, ist ein hehres Anliegen. Ein anderer Berufsstand kommt hingegen kaum im fiktionalen Programm vor: die Notfallseelsorger. Sie überbringen Todesnachrichten an die Angehörigen, Polizisten weinen sich bei ihnen aus. An Krankenbetten sind es oft sie, die bis zum Ende ausharren. Sie stehen auf Kränen und Hochhausdächern, wenn sie mit Menschen, die des Lebens müde sind, nach einem Ausweg suchen. Sie reden mit Feuerwehrmännern nach einem Wohnungsbrand, bei dem es Tote und Schwerstverletzte gab, und Polizeibeamten, die in einem Einsatz mit ihrer Dienstwaffe geschossen haben.
Seit Anfang der 90er-Jahre ist die Notfallseelsorge ein hoch geschätztes Angebot der Kirchen. Wie Klinik-, Polizei- oder auch Gemeindepfarrer sind sie im realen Leben oft in Katastrophen und den Grenzfällen des Lebens gefragt. Im fiktionalen Programm von ARD und ZDF, Sat.1 und RTL sind Polizisten oder Ärzte meist selbst die Helden, die diese Aufgaben schultern. Auf den ersten Blick ist das aus dramaturgischen Überlegungen verständlich. Auf den zweiten Blick wird die Lebenswirklichkeit stark reduziert. Wie wäre es, wenn der "Tatort"-Kommissar nicht nur der harte Typ wäre, sondern sich auch als glaubender und betender Mensch zu erkennen gäbe? Das Gebet "Gott sei Dank!" ist im Alltag häufiger zu hören, als es im Drehbuch steht. Seit Generationen tröstet das gemeinsam gesprochene "Vater unser" oder der 23. Psalm "Der Herr ist mein Hirte. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal ..." Menschen in Notzeiten.
Auch die elementaren Umgangsformen bei einem Besuch im Krankenhaus ließen sich lebensnah am Sonntagabend um Viertel nach acht neben der Aufklärung des Mordfalls vermitteln. Wer kennt nicht das mulmige Gefühl, das einen auf dem Weg zur Intensivstation beschleicht? Feuchte Hände, erhöhter Herzschlag, das Zögern an der Türklinke. "Was sage ich nur, wie fange ich das Gespräch an?" Und wie erleichternd ist es dann auf dem Weg nach Hause, wenn es eine gute Begegnung war. Das Zuhören ist wichtiger gewesen als das Reden. Das Halten der Hand hat Nähe vermittelt. Und wenn dann noch reflektiert würde, dass der Stuhl neben dem Bett auf Kopfhöhe der angemessene Ort für den Besucher ist und nicht das Fußende des Bettes, ist eine Voraussetzung für ein gutes Zusammensein gegeben. Wenn dann noch das unbedachte "Ich weiß genau, wie es dir geht ..." in ein "Ich erahne wohl nur, was dich jetzt bewegt ..." übersetzt wird, kann es ein für beide Seiten bereicherndes Gespräch werden.
Es gibt gute Gründe, den gelebten Glauben als Bestandteil der Lebenswirklichkeit von über fünfzig Millionen Christen in Deutschland auch im Fernsehfilm zu vermitteln. Der Mensch besitzt bekanntlich nicht nur einen Körper und physische Gebrechen, sondern auch eine Seele, eine Sehnsucht nach Trost und Entlastung. Nach evangelischem Verständnis ist der Mensch mehr als das Werk seiner Hände. Er ist mehr als seine Leistung und so ist er auch mehr als seine Fehlleistung. Diese Zusage, aus dem christlichen Menschbild begründet, befreit von vielen Überforderungen und entlastet.
Unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft bieten die Kirchen mit der Notfallseelsorge und der Seelsorge im Krankenhaus eine Form der kulturellen Diakonie. Dieses zu vermitteln, wäre auch eine lohnende Aufgabe in Fernsehfilmen. Nicht, weil die Kirchen damit Öffentlichkeitsarbeit betreiben wollen, sondern weil sie von der Erfahrung getragen werden, dass es Menschen gut tut, seelsorgerliche Hilfe in existenziellen Krisen in Anspruch zu nehmen. Eine Voraussetzung ist zu wissen, wie die Notfallseelsorge gerufen werden kann, nämlich über die Leitstellen von Feuerwehr und Polizei. Zuhören und das Gespräch fördern, nicht urteilen, sondern wahrnehmen: All das kann man lernen, so wie die Mediziner die Erstbehandlung auch Passanten zutrauen, denen man in Kaufhäusern und Bahnhöfen einen Defibrillator mit einer kurzen Gebrauchsanweisung an die Hand gibt, um den Herzschlag mit einem Stromstoß wieder zu synchronisieren.
Aber wie wird eine seelsorgerliche Grundhaltung im Spielfilm vermittelt oder das Vertrauen auf Gott, das über unsere Wirklichkeit hinausreicht? Eine Familie, die vor dem Abendessen betet, hat oft den Anschein des Spießigen. Auch der Gebetsruf "Gesegnete Mahlzeit!" hat es schwer im deutschen Film. Vielleicht sind die Kirche und der Berufsstand der Drehbuchautoren einander fremd geworden. Feuerwehr und Polizei haben dieses Fremdsein schon überwunden. Was aber unterscheidet die Notfallseelsorge von einer weltlichen Krisenintervention? Pfarrerinnen und Pfarrer haben große Erfahrung, Trauernde zu begleiten. Sie sind geübt, Verstorbene auszusegnen und verfügen über eine geistliche Kompetenz, zu trösten. Durch das Beichtgeheimnis sind sie vor Gericht als mögliche Zeugen geschützt und können so auch Polizeibeamte seelsorgerlich begleiten. Diese kirchliche Arbeit findet sich bislang kaum in Fernsehfilmen. Dabei muss es ja nicht bleiben. Markus Bräuer
Der Verband Deutscher Drehbuchautoren und die Medienarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland laden regelmäßig Drehbuchautorinnen und -autoren zum Gespräch ein.
Gemeindepfarrer und Spezialseelsorger stellen dabei ihren Alltag und ihre Arbeit vor. Zur Diskussion stehen ebenfalls Aufgaben die Pfarrerinnen und Pfarrer in der Spezialseelsorge zwischen Notarztwagen, Spezialeinsatzkommando der Polizei (SEK) und einer Intensivstation (ITS) erfüllen.
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