Das Berliner Radio Paradiso muss nicht zum Monatsende seinen Betrieb einstellen. Das Berliner Verwaltungsgericht gab am Freitag den Klagen des christlichen Senders gegen den Lizenzentzug durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) in vollem Umfang statt. Das Vergabeverfahren muss nun neu aufgerollt werden.

 

Die vor einem halben Jahr getroffene Entscheidung des Medienrates sei "beurteilungsfehlerhaft und damit rechtswidrig", sagte der Vorsitzende Richter Reinhard Neumann bei der Urteilsverkündung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, ein Antrag auf Berufung möglich. Für den Lizenzentzug ab Dezember fehle eine ausreichende Begründung, urteilte das Gericht. So seien unter anderem Wort- und Musikanteil im Programm falsch berechnet worden. Auch habe die Medienanstalt das in Brandenburg ausgestrahlte Programm des Senders mit teils polnischsprachigen Beiträgen sowie angekündigte Programmänderungen bei der Entscheidung nicht berücksichtigt.

 

Es sei nicht auszuschließen, dass der Medienrat als zentrales Entscheidungsgremium der Anstalt bei einer zutreffenden Berechnung eine andere Entscheidung getroffen hätte, sagte Richter Neumann. Bis zu einer Neuentscheidung müsse der Medienrat Radio Paradiso deshalb eine vorläufige Sendeerlaubnis erteilen. Mit dem Urteil werde keine Aussage über die Qualität von Radio Paradiso getroffen. Die Medienanstalt, die dem Sender Defizite in den Programmleistungen bescheinigt hatte, hatte die UKW-Frequenz 98,2 ab Dezember an den Sender Oldiestar vergeben.

Medienrat will Entscheidung auswerten

 

Die Medienanstalt wollte sich zunächst nicht zu dem Urteil und weiteren rechtlichen Schritten äußern. Der Medienrat unter Vorsitz der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, müsse die Entscheidung zunächst auswerten, sagte Justiziarin Ingeborg Zahrnt. Medienanstalt-Direktor Hans Hege erklärte, das Urteil könnte dazu führen, dass sich Sender nicht mehr an früher gegebene Zusagen hielten. Zudem werde der Zugang weiterer Anbieter zu den knappen UKW-Frequenzen erschwert.

 

Der Geschäftsführer von Radio Paradiso, Matthias Gülzow, begrüßte das Urteil: "Ich bin dankbar, dass wir eine neue Chance haben, den Medienrat zu überzeugen." Hauptgesellschafter des 1997 gegründeten Senders sind die Evangelische Darlehnsgenossenschaft und die Berliner Immanuel-Diakonie. Die EKD Media, die ebenfalls Anteile hält, gehört zu 60 Prozent der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und zu 40 Prozent dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP). Das GEP trägt unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Erstmals gerichtliche Prüfung von Lizenzvergabe

 

Der Streit zwischen Radio Paradiso und der Medienanstalt ist laut Gericht das erste Verfahren in Berlin, in dem Verwaltungsrichter die Vergabe von UKW-Frequenzen zu überprüfen hatten. Der Konflikt resultiert aus einer 2007 vorgenommenen Änderung des Medienstaatsvertrages. Seitdem werden die Frequenzen von Privatsendern alle sieben Jahre neu ausgeschrieben. Der Lizenzentzug für Radio Paradiso ist laut Medienanstalt der erste Fall, in dem der bisherige Anbieter nicht wieder zum Zuge kommen sollte.

 

Zur Begründung hierfür hatte die Medienanstalt auf Zweifel verwiesen, "ob in der Zukunft wesentliche Verbesserungen beim Wortprogramm zu erwarten sind". Charakteristisch für Radio Paradiso sei bisher "eine vom Musikformat bestimmte Wellness-Ausrichtung unter Verzicht auf Programmelemente, die die an der Musik interessierten Hörer stören könnten".