Oberkirchenrat Markus Bräuer, Berlin
Feiertagsansprache zu Christi Himmelfahrt am 2. Juni 2011
Deutsche Welle Bonn
Schöpfung bewahren, Religionsfreiheit sichern – Aufgaben der Menschen weltweit
Liebe Hörerin, lieber Hörer,
###f02###weit über hunderttausend Menschen sind an diesem Christi-Himmelfahrts-Tag in der Dresdner Innenstadt unterwegs. Aus ganz Deutschland sind sie angereist, um gemeinsam ihren Glauben zu feiern. Denn am Mittwoch wurde der Deutsche Evangelische Kirchentag in Dresden eröffnet. In Vorträgen und Diskussionsrunden geht es dort um die Frage: Was heißt es hier und heute, den Menschen zu dienen und Gott die Ehre zu geben.
Kirchentage sind immer eine protestantische Zeitansage. Sie bündeln wie unter einem Brennglas, was Menschen bewegt. Zwei Themen haben in diesen Tagen eine besondere Relevanz.
Das Erdbeben mit folgendem Tsunami und die Reaktorkatastrophe in Japan haben uns gezeigt, wie verletzlich Gottes Schöpfung ist. Bevor wir die Frage stellen, wie Gott so viel Leid in Japan zu lassen kann, müssen wir uns selbst fragen: Für wie groß halten wir uns? Menschen haben wissen können, dass Nordjapan zu den Erdbebenregionen gehört. Dennoch wurden dort nicht nur Städte angesiedelt, sondern auch Kernkraftwerke gebaut. Für wie groß halten wir Menschen uns? Ist die Frage nach Gott vielleicht eher die Frage nach unserer Selbstüberschätzung? Mir kommt der Turmbau zu Babel in den Sinn. Mehr als einmal wollten Menschen zu hoch hinaus. Nun werden wir in Deutschland ab dem Jahr 2021 auf Atomkraft verzichten. Schon heute können wir aber aufmerksamer mit unserem Energieverbrauch umgehen. Würden in Deutschland alle Stand-By-Lämpchen der Computer und Fernseher ausgeschaltet, könnten wir auf ein Kernkraftwerk verzichten. Der biblische Auftrag, die Schöpfung und damit die Lebensgrundlage aller Lebewesen weltweit zu bewahren, ist ein Auftrag an alle Menschen der Erde.
Das zweite Thema des Kirchentages betrifft die Religionsfreiheit: Seinen Glauben frei leben zu können ist ein Menschenrecht.
In Ägypten und in anderen islamisch geprägten Ländern hat die Verfolgung von Christen ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Viele Christen dort haben nicht das Recht, ihren Glauben frei zu leben. Vorhandene Kirchen stehen nicht im Grundbuch. Neue dürfen nicht gebaut werden. Während Moscheen kostenfrei Wasser bekommen, müssen Kirchengemeinden dafür zahlen. Über seinen christlichen Glauben zu reden, kann zur Lebensgefahr werden. Schätzungen zufolge sind mehr als 80 Prozent aller weltweit religiös verfolgten Personen Christen. In Deutschland ist es ein verbrieftes Recht für Muslime, Moscheen zu bauen. Dass diese öffentlich erkennbar und nicht im Hinterhof versteckt sind, tut einer aufgeklärten Gesellschaft gut. Denn was ich täglich sehe und kenne, macht mir keine Angst mehr. Ebenso selbstverständlich muss es aber sein, dass in den islamisch geprägten Ländern der Welt Kirchen gebaut und erhalten werden. Religionsfreiheit ist ein universales Recht, das in jedem Land gelten muss. Die Einschränkung der Glaubensfreiheit verletzt die allgemeinen Menschenrechte. Ob Christ, Moslem oder Atheist: Um der Freiheit und der Würde eines jeden Menschen willen dürfen wir nicht schweigen, wo Menschen wegen ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung gefährdet sind.
Wenn auf dem Kirchentag in Dresden in den kommenden Tagen über diese beiden Themen diskutiert wird, betrifft das nicht nur religiös Interessierte.
Jesus fordert in der Bergpredigt: Schaut nicht nach den irdischen Dingen. Strom aus Kernkraft gewonnen, ist sicher billiger zu haben, als ihn aus Sonne oder Wind herzustellen. Vorausgesetzt, die Kosten für die Entsorgung des Atommülls und den Schutz vor der Strahlung werden nicht mit eingerechnet. Letztlich müssen wir für mehr Sicherheit auch mehr zahlen. Der vermeintliche Schatz in unseren Portemonnaies wird vielleicht kleiner. Der himmlische Schatz, der der nächsten Generation das Leben in einer intakten Umwelt und die Freiheit des Glaubens sichert, aber wird größer. Deshalb lohnt es sich, die Schöpfung gut zu bewahren und für Religionsfreiheit einzutreten. Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. So heißt es in der Bergpredigt Jesu und dieses Wort ist auch das Motto des Kirchentages: „Da wird dein Herz sein“. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Christi-Himmelfahrtstag.