Soldatinnen und Soldaten haben das Recht auf freie Religionsausübung und Seelsorge. Deshalb gibt es seit mehr als 55 Jahren die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr, die gemeinsam von der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Bundesrepublik Deutschland getragen wird. Doch was bedeutet Seelsorge für die Menschen in der Bundeswehr heute und ganz konkret?
Die Rolle der Soldatinnen und Soldaten in unserer Gesellschaft hat sich verändert. Auf der einen Seite sind die Aufgaben und Gefahren gewachsen. Auslandseinsätze sind mittlerweile Alltag. Das Risiko, verwundet oder getötet zu werden, ist für viele bedrückend real. Und auch der Umbau der Bundeswehr stellt Soldaten vor große Herausforderungen hinsichtlich Flexibilität und Mobilität. Und sorgt zudem für viel Ungewissheit.


Gerade in diesem Umfeld wird der Rückhalt im Glauben für viele wieder wichtiger. Bei anderen wächst das Bedürfnis, sich in Gesprächen mit Fragen, Ängsten und Widersprüchen auseinanderzusetzen. Hier kann die Evangelische Militärseelsorge helfen. Sie sorgt dafür, dass Soldatinnen und Soldaten ihren christlichen Glauben leben können, und ist gleichzeitig vertrauenswürdige Anlaufstelle im Alltag. Das Angebot reicht von Gottesdiensten und Bibelarbeit über Lebenskundlichen Unterricht bis hin zum vertraulichen Gespräch über belastende Themen. Damit gliedern sich die Kernaufgaben der Evangelischen Militärseelsorge in die vier Bereiche "Begleiten", "Ermutigen", "Verkündigen" und "Orientieren".


Die Evangelische Militärseelsorge begleitet Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien – im Alltag und in Ausnahmesituationen. Dabei haben wir die nötige Distanz, um unabhängig zu sein, und genug Nähe, um zu helfen.
Die Militärseelsorge in Deutschland fußt auf einem wichtigen Prinzip: Militärgeistliche sind selbst keine Soldaten und damit unabhängig von der militärischen Hierarchie. Gleichzeitig teilen sie den Alltag der Soldaten, ob in der Kaserne oder auf dem U-Boot, und sind somit nah an den Sorgen und Nöten. Diese Kombination aus Unabhängigkeit und Verständnis hilft, dass Gläubige in der Bundeswehr ihre Religion leben und bei Problemen Unterstützung erhalten können.


Gottesdienst feiern
Eines der wichtigsten Angebote der Evangelischen Militärseelsorge sind Gottesdienste. In der Regel gibt es einmal im Monat einen Standortgottesdienst, der meist in der Kaserne oder in einer Kirche in der Nähe gefeiert wird. Dieser findet werktags statt, um auch den Soldatinnen und Soldaten eine Teilnahme zu ermöglichen, die am Wochenende zu ihren Familien nach Hause reisen. Wer an einem Gottesdienst teilnehmen möchte, muss dafür freigestellt werden; ebenso wird für den Transport gesorgt.
Natürlich gibt es auch Gottesdienste zu besonderen Anlässen: auf Rüstzeiten, beim feierlichen Gelöbnis, auf Übungen oder im Einsatz. So unterschiedlich diese Situationen sein mögen, das Ziel ist immer gleich: Abstand zum Alltag gewinnen, so ein bisschen mehr zu sich selbst zu finden – und nah bei Gott zu sein.


Gespräche suchen
Die Evangelische Militärseelsorge richtet sich in erster Linie an protestantische Soldatinnen und Soldaten. Doch auch allen anderen steht die Tür des Militärpfarramts offen. Dies ist besonders für Soldaten wichtig, die in einer schwierigen Situation einen vertrauenswürdigen Gesprächspartner suchen. Die Militärgeistlichen haben eigene Diensträume und bieten regelmäßige Sprechstunden an. Darüber hinaus können im Umfeld der Standortgottesdienste oder des Lebenskundlichen Unterrichts Gespräche geführt bzw. Termine vereinbart werden.
Selbstverständlich wahren die Militärgeistlichen das Beichtgeheimnis, so dass alles, was ihnen im Seelsorgegespräch anvertraut wird, vertraulich bleibt. Wenn die Betroffenen es jedoch wünschen, können sie bei Problemen das Gespräch mit Vorgesetzten suchen.


Begleitung auf Auslandseinsätzen und in Übungen
Gerade im Auslandseinsatz und bei Übungen wissen viele Soldatinnen und Soldaten die Begleitung durch Geistliche zu schätzen. Fernab der Familie und unter besonderer Belastung suchen viele nach Halt und Sicherheit. Die Pfarrerinnen und Pfarrer sind deshalb überall, wo die Bundeswehr im Einsatz ist.
Auch unter diesen Bedingungen macht die Militärseelsorge ihre Angebote. Gerade an Festtagen wie Ostern oder Weihnachten bieten Gottesdienste ein Stück Heimat.
Manchmal heißt Seelsorge auch, einen Raum zu schaffen, in dem man über Ängste sprechen und Schwäche zeigen kann, um so das Erlebte aushalten zu können. Dies gilt auch auf den Schiffen der Marine im Einsatz, auf denen die Soldaten in besonderem Maße mit Einsamkeit und Anspannung zu kämpfen haben. Die evangelischen Geistlichen haben den selben Rhythmus wie das Einsatz-Kontingent, zu dem sie gehören. Dies schafft die nötige Bindung und das Vertrauen, um in diesem schwierigen Umfeld helfen zu können.


Unterstützung im Trauerfall
Die veränderte sicherheitspolitische Lage hat dazu geführt, dass Soldatinnen und Soldaten neuen Gefahren ins Auge sehen müssen. Doch auch im normalen Dienst kann es zu tragischen Todesfällen kommen. In dieser Situation stehen die Militärgeistlichen allen Beteiligten zur Seite. Sie sind dabei, wenn die Angehörigen benachrichtigt werden, sie helfen bei der Organisation der Trauerfeier und begleiten Familie und Kameraden bei der Verarbeitung des Verlustes. Mut zu machen kann hier schwerfallen – und ist gerade deshalb besonders wichtig.


Umgang mit Gewissenskonflikten
Der Soldatenberuf kann besondere innere Konflikte mit sich bringen. Fragen nach der Notwendigkeit von Gewalt, aber auch von Schuld und Verantwortung spielen hier eine Rolle. Die Evangelische Militärseelsorge ist ein vertrauenswürdiger Ansprechpartner, der dem einzelnen Soldaten bei der Suche nach Antworten und Orientierung hilft.