Hintergrund
Im März 2014 hat Russland durch die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ostukraine Grundprinzipien des Völkerrechts verletzt und seine militärischen Aktivitäten an der Grenze zur NATO erheblich intensiviert. Die NATO hat auf dieses Verhalten reagiert. Beim NATO-Gipfel 2014 in Wales wurde der sogenannte "Readiness Action Plan" beschlossen, der unter anderem eine verstärkte Luftraumüberwachung, mehr Übungen und die Aufstellung einer schnell verlegbaren NATO-Eingreiftruppe beinhaltet.
Auf dem NATO-Gipfel in Warschau im Juli 2016 wurde als weitergehende Maßnahme die Etablierung einer "Vornepräsenz" in Stärke von jeweils eines multinationalen Gefechtsverbandes in den drei baltischen Staaten und Polen ab 2017 beschlossen. Seit Januar 2017 ist ein solcher Gefechtsverband (Battlegroup) unter deutscher Führung im Rahmen der "enhanced Forward Presence" (kurz: "eFP"; "verstärkte vorgeschobene Präsenz") in Litauen stationiert. Dieser besteht derzeit aus circa 1.600 Soldatinnen und Soldaten – darunter ungefähr 1000 deutsche. Weitere Kräfte, zum Beispiel unter anderem aus den Niederlanden, Tschechien, Norwegen, Kroatien und Belgien kommen hinzu. Zusätzliche Nationen beteiligen sich im Wechsel. Die beteiligten Nationen rotieren mit ihrem Personal, Material und Ausrüstung in regelmäßigen Abständen.
In Deutschland geschieht dies zweimal jährlich. Parallel befinden sich drei weitere Gefechtsverbände unter anderem in Estland, Lettland und in Polen. Hinzu kommen weitere Kräfte wie etwa das "Air Policing Baltikum", an dem sich die deutsche Luftwaffe regelmäßig mit Kampfflugzeugen beteiligt. Als Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine stellt Deutschland seit September 2022 zusätzlich eine Brigade im Rahmen der enhanced Vigilance Activities (eVA) in Deutschland bereit, die mit einem vorgeschobenen Führungselement (Forward Command Element – FCE) dauerhaft in Litauen vertreten ist. Das FCE stellt ein ständiges Bindeglied zwischen den litauischen Streitkräften und der in Deutschland bereit gehaltenen Brigade dar, deren Truppenteile für gemeinsame Übungsvorhaben vorübergehend nach Litauen verlegen. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, die Brigade bei einer Verschärfung der Bedrohungssituation unverzüglich nach Litauen zu bringen. Diese Brigade ist in die litauischen Verteidigungsstrukturen integriert.
Auftrag
Der deutsche Beitrag besteht aus einer Battlegroup, zu der neben den kämpfenden Truppenteilen u.a. auch ein Stabselement, Logistik, medizinische Versorgung sowie Kräfte der Instandsetzung gehören. Die Battlegroup selbst besteht im Kern aus mechanisierten und infanteristischen Kräften. Je nach Lage können diese – etwa bei Übungsvorhaben – durch weitere Truppenteile wie zum Beispiel Spezial-Pioniere oder Artillerie verstärkt werden. Ausgerüstet ist die Battlegroup mit einer Vielzahl an Großfahrzeugen, darunter mehrere Dutzend Panzer (Kampf-, Schützen-, Berge-, Pionier- und Brückenlegepanzer).
Für ihren Auftrag ist dieser durch Deutschland geführte, multinationale Verband der litauischen "Iron Wolf"-Brigade unterstellt. Bestehend aus sechs Bataillonen, ähnelt die Brigade im Aufbau einer deutschen Panzergrenadierbrigade.
Einsatzraum und -verband
Primärer Einsatzraum der deutschen Soldatinnen und Soldaten bei enhanced Forward Presence ist Litauen, je nach Lage und Entscheidung der NATO ist aber auch eine Verlegung der Battlegroup in die anderen baltischen Staaten oder nach Polen grundsätzlich möglich. Der Verband ist in Rukla in Zentrallitauen stationiert und nutzt umliegende Truppenübungsplätze für Ausbildung und Übung.
Rechtliche Grundlagen
Die Beteiligung an enhanced Forward Presence der NATO stellt eine sogenannte anerkannte Mission und damit keinen Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes dar. Eine Mandatierung durch den Deutschen Bundestag ist nicht erforderlich.
Quelle: Bundeswehr 6/2024