Das Wort zum Sonntag Team trauert um seinen langjährigsten und profiliertesten evangelischen Sprecher. Am Freitag, den 9. September 2016 verstarb Pfarrer Jörg Zink, der 25 Jahre lang Sprecher des Wortes zum Sonntag war. Unsere herzliche Anteilnahme gilt Frau Zink und ihren Kindern mit Familien!
Für das Wort-zum-Sonntag-Team ist und bleibt Jörg Zink die evangelische Lichtgestalt! An seinen „Worten“ ist zu sehen, was diese Sendung in ihren besten Ausgaben kann. In über 60 Jahren Wort zum Sonntag ist Jörg Zink nach wie vor der der bekannteste protestantische Sprecher und seine Auslotung dieser Sendeform ist noch immer gültige Richtschnur.
Wie politisch darf ein "Wort zum Sonntag" sein - von Jörg Zink
In unsere Trauer ist untrennbar auch großer Dank für das Engagement, das Talent, das Leben und die Person von Jörg Zink verflochten.
Oft scheint es uns, als hätte Robert Geisendörfer bei seiner berühmten Definition christlicher Publizistik gerade Jörg Zink vor Augen gehabt: „Etwas öffentlich machen, Fürsprache üben, Barmherzigkeit vermitteln und Stimme leihen für die Sprachlosen.“ Dafür stand und steht der Name Jörg Zink. Wir möchten das nochmals verdeutlichen, in dem wir ihn selbst zu Wort kommen lassen - mit einem Wort zum Sonntag aus dem Jahr 1968 mitten in den studentischen Unruhen:
Das Wort zum Sonntag, 10.02.1968 von Pfarrer Dr. Jörg Zink
Mir erzählte die Mutter eines Studenten von ihren mühseligen Gesprächen mit ihrem radikalen Sohn. Er redet nicht mehr wie ein normaler Mensch mit mir, sagte sie. Er hält Volksreden in einem schauerlichen Parteichinesisch. Er findet alles verkrustet und verengt und will alles zerschlagen. Sie fragte ihn: Ist es nicht eigentlich furchtbar für dich; wenn du zuhause sein musst? Der Junge antwortete: Das ist ja gerade das Dumme, dass ich gefühlsmäßig so an dich gebunden bin.
Was kann eine Mutter eigentlich mehr wollen? Aber von dieser unfreiwilligen Liebeserklärung abgesehen: Da zerfällt vor unseren Augen der Zusammenhang zwischen einer älteren und einer jüngeren Generation. Harmlose Mitläufer, extreme Agitatoren und sehr viele ernsthafte junge Leute gehen gemeinsam auf die Barrikaden, um gegen uns ältere zu demonstrieren, gegen uns und die festgelegte, verhärtete Welt, die wir verkörpern.
Als wir im selben Alter waren, hatten wir die Chance, auf dem Nullpunkt neu anzufangen. Die Jungen von heute finden fertige Städte, fertige Universitäten, fertige Kirchen, fertige Parteien und Regierungen vor, in denen man sich gegenseitig jovial auf die Schultern klopft und sagt: Wie haben wir es doch so herrlich weit gebracht!
Dabei müsste sich sehr viel ändern in unserem Land, wenn wir auch nur den nächsten zwanzig Jahren gewachsen sein wollen. Eine neue Art von Autorität müsste entstehen statt der alten, patriarchalischen. Ein beweglicheres geistiges Arbeiten an den Hochschulen anstelle eines scholastischen Lehrbetriebs. Ein vitales, öffentliches politisches Spiel der Kräfte statt dem üblichen Handel hinter verschlossenen Türen und den alten Schlagworten.
Man weiß im Grunde, was geschehen müsste. Man weiß, dass es ein Unglück gibt, wenn nichts geschieht. Und es geschieht - fast - nichts. Was hinter der Aufsässigkeit der jungen Leute steckt, das ist die Verzweiflung darüber, dass nichts geschieht.
Aber die Verzweiflung greift auch nach uns, wenn wir zum Beispiel dem Bundestag zuhören. Da will man durchgreifen. Da will man keine Schwäche zeigen. Da gibt ein Vizepräsident die Losung aus: Landgraf, werde hart!
Als ob es etwas Selbstverständlicheres gäbe als dieses. Wir alle hassen den Terror, ob er von rechts oder von links kommt - und werden ihm wehren.
Aber wer heute von nichts anderem zu reden weiß als von Härte, wird die Fronten verhärten. Wer einer so notwendigen Bewegung mit Gewalt allein entgegentritt, wird sie in Kürze auch mit Gewalt nicht mehr bändigen. Er wird schließlich den Notstand ausrufen und den freiheitlichen Staat zugrundemarschieren.
Man redet, als ob man seine Feinde vor sich hätte und sagt ihnen den Kampf an und hat in Wirklichkeit seine eigenen Kinder vor sich. Autorität ist gesucht wie das tägliche Brot, und die Verantwortlichen glauben an die Gewalt. Nicht anders als die Jungen.
Natürlich kann eine Universität nicht gedeihen, wenn in den Vorlesungen randaliert wird, und natürlich hassen wir es, wenn man Professoren diffamiert, die es nicht verdienen. Aber ich wünschte mir, das Kirchenvolk befasste sich so kritisch mit seinen Pfarrern und seinen Bischöfen oder unser ganzes Volk mit seinen Politikern, die eine harte Miene zeigen und - um mit der Bibel zu sprechen - hersagen: „Friede! Friede!“ und ist doch kein Friede, außer dem faulen Frieden, der sich um uns angestaut hat.
Die Bibel sagt, die Väter dürften ihre Kinder nicht zum Zorn reizen. Das heißt: Sie dürften sie nicht in eine Lage bringen, in der ihnen außer der Revolte nichts mehr übrig bleibt. Und sie fordert, dass die Herzen der Väter sich zu den Herzen der Kinder bekehren. Das heißt, sie ändern, was ihnen richtig scheint, wie es ist, was aber um des Lebens und Gedeihens der Kinder willen geändert werden muss. Und heute liegt alles daran, dass es geschieht, solange Liebeserklärungen wie die des jungen Mannes möglich sind.