Spurensuche
Kolumbien schenkt mir Mut zu Weihnachten
25.12.2016 10:00
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Da ist doch Krieg

Niemand verstand, warum ich nach Kolumbien wollte. Das war vor sechs Jahren, und nur Lebensmüde und Abenteurer kamen auf die Idee. Kolumbien war zerrissen vom Kampf zwischen der Zentralregierung in Bogotá und den linken revolutionären Streitkräften, den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo – besser bekannt als FARC. Sie kämpften  um die Macht im Land und die politische Ausrichtung. Und nicht zuletzt um ungeheure Summen an Geld, die sich mit dem Anbau und Verkauf von Drogen verdienen lassen. Tausende verloren ihr Leben. Hunderttausende wurden vertrieben oder verließen aus Furcht ihre Heimat Die Kartelle der Drogenbarone kontrollierten weite Teile des Staates als ihr eigenes Imperium. Und in dieses Land wollte ich reisen.

 

Lust auf Leben         

"In diesem Gebiet kannst Du sicher reisen, dorthin darfst du nicht fahren!" Vor meiner Reise gab mein kolumbianischer Freund aus Berlin entscheidende Tipps. Und eine Landkarte: Go und no go areas. Er selbst lebt schon lange Jahre in Deutschland. Regelmäßig besucht er seine Familie. Für den Fall der Fälle hatte ich die Kontaktadressen dabei. Aber vor allem machte er mir Mut: "Das Land ändert sich! Die Menschen haben den Krieg satt und wollen in Frieden leben! Freu dich auf die Reise!"

 

Fast fünf Wochen bin ich kreuz und quer durch das Land gereist. Habe die Eltern meines Freundes besucht. Habe spontan Menschen kennengelernt. In Bussen und auf Märkten, in der Kneipe und beim Essen. Und immer wieder konnte ich die pralle Lust auf Leben spüren. Die Sehnsucht nach einem Ende der Gewalt. Den Wunsch nach Frieden. Natürlich bin ich immer wieder auch den Spuren der Gewalt begegnet. Zum Beispiel wenn ich in mitten der Anden auf einen Checkpoint traf und mich die jungen Soldaten freundlich aber bestimmt aufforderten, umzukehren. Wenn der Linienbus stoppen musste und alle Insassen akribisch kontrolliert wurden. Doch auch dabei konnte ich eine freundliche Gelassenheit spüren.

Zurück nach Deutschland habe ich die Gewissheit mitgenommen, dass die Menschen tatsächlich den Krieg statt haben. Dass die überbordende  Lust auf Leben am Ende stärker sein möge als die Aussicht auf ein Leben in Angst. Dass da etwas passiert: Versöhnung!

 

Frieden ist möglich

Das, was in den letzten Jahren in Kolumbien passiert ist, ist eine Sensation. Ein Friedensprozess hat begonnen. Offizielle Verhandlungen zwischen der Zentralregierung und den Vertretern der FARC. Menschen, die sich vor wenigen Jahren bei jeder sich bietenden Gelegenheit umgebracht hätten, hatten auf einmal ein gemeinsames Ziel. Als ich vor wenigen Jahren ein zweites Mal im Land war, war der ungeheure Wandel greifbar. Nun waren sich alle sicher: der Frieden kommt!Die Vergangenheit wurde nicht einfach ausgeblendet: Trauer und Verzweiflung sind ein Thema. Die Verantwortlichen für Verbrechen mussten sich verantworten. Öffentlich und vor Gericht wurden sie zur Rechenschaft bezogen. Doch gerade aus der Konfrontation mit dem Schrecken konnte Versöhnung erwachsen. Menschen haben ihre traurigen und schrecklichen Erfahrungen mit der Gewalt zum Thema gemacht. Dadurch haben sich Haltungen grundlegend verändert. Und die Verantwortlichen haben verstanden was heißt, für Menschen Verantwortung zu übernehmen. Manuel Santos, der Ministerpräsident – der vor wenigen Jahren als Verteidigungsminister noch oberster Kriegsherr gegen die FARC war – hat sich an die Spitze der Versöhner gestellt. Und zu Recht den diesjährigen Friedensnobelpreis erhalten.

 

Weihnachten heißt: Frieden geht doch!

Für mich ist das dies die Botschaft an Weihnachten: Frieden ist möglich!  Auch da, wo er unmöglich erscheint:   in den Kriegen und  in dem Schrecken, die mich  fast verzweifeln lassen.  Dieses Beispiel schenkt mir Mut. Und Mut ist ein Geschenk, das die Welt zur Zeit gut brauchen kann.