Spurensuche
Kloster Lehnin – ein spiritueller „Andersort“
02.09.2017 10:00

 

 

Aus der Fülle ausgießen

Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen, und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.

Mit diesen Worten ermahnte der Zisterziensermönch Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert seine Zeitgenossen. Bis heute haben seine Worte Gültigkeit. Längst ist es vielen Menschen im 21. Jahrhundert klar, dass zum Leben mehr gehört als der Wechsel von  Arbeit und Freizeit. Angesichts der gesellschaftlichen Beschleunigung und der wachsenden Herausforderungen einer  digitalisierten Welt nimmt das Gefühl der Überforderung beständig zu. Gleichzeitig  wächst die Sehnsucht nach Stille, nach Sammlung,  Klärung und Besinnung auf das Wesentliche. Religion und Spiritualität sind längst wieder in der Gesellschaft angekommen: Manager üben sich in  Achtsamkeit und buddhistischer Mitgefühlsmeditation, Coaches suchen   in der Zen-Meditation neue  Gelassenheit, Angebote in schamanischer Heilkunde werden ebenso wie Yoga-­Meditationsgruppen aufs Beste frequentiert.

 

Ein Ort, um Wurzeln zu finden

Auch das Christentum hat eine Jahrhunderte alte und bewährte Tradition der Meditation, der spirituellen Begleitung auf dem Weg durchs Leben.  In Deutschland gibt es zahlreiche klösterliche  „Andersorte“, an denen Menschen einkehren können auf ihrer Suche nach Ruhe und Vertiefung ihres Lebens. Die Evangelische Kirche stellt dafür Orte und Räume zur Verfügung.  Das ehemalige Zisterzienserkloster Lehnin in der Mark Brandenburg,  liegt vor den Toren der Hauptstadt, eingebettet in eine herrliche Natur- und Kulturlandschaft am Vogelschutzgebiet Rietzer See.  Heute  ist das Klostergelände  in der Trägerinnenschaft der evangelischen  Diakonie. Ein Kindergarten, ein Krankenhaus, ein Altenwohnheim und ein Hospiz bieten ihre Leben begleitenden Dienste an.  Die evangelische Landeskirche unterstützt hier den Aufbau des spirituellen Zentrums Kloster Lehnin. Als Beauftragte für Spiritualität gehört es zu meinen Aufgaben, christliche Spiritualität in ihren vielen bunten Facetten und Traditionen zu lehren und hierzu Bildungsangebote zu machen.  Neben Langzeitfortbildungen in Geistlicher Begleitung sind es vor allem  Meditationskurse zum Herzensgebet, Exerzitien zum Inneren Beten. Um ganzheitliche Erfahrungsräume geht es in der  Meditation des Tanzes, dem Pilgern oder in Kursangeboten mit musikalischem Schwerpunkt wie „Klang und Stimme im Raum“ und „Musik und Mystik“.  Die Angebote werden von  Menschen mit und ohne Kirchenzugehörigkeit genutzt. Eine von ihnen ist Andrea L. Sie ist Deutschlehrerin und arbeitet mit Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöser Herkunft. Frau L. hat an einer Jahresfortbildung „Grundkurs christliche Meditation“ teilgenommen. Was sie am „Andersort“ Kloster Lehnin erfahren hat, beschreibt sie so:

„Lehnin ist ein Ort, der mein Leben nachhaltig verändert hat. Ich persönlich bin nach  Lehnin in einer Zeit der eigenen Glaubenskrise gekommen und habe dort, an diesem wunderbaren aber auch sehr reduzierten Ort zurück zu meinem Wurzeln gefunden. Wenn ich an das Kloster Lehnin denke, dann denke ich an alte Backsteinbauten, an wunderbare alte Klostermauern, an die Diakonissen, die selbst im Winter barfuß zur Morgenandacht radeln, an denen auch ich teilnehmen darf. Ich denke an das Echo der Engel in der Zisterzienserkirche  und an tiefe, mich sehr verändernde Gottesbegegnungen.  Ich denke an Lectio Divina (eine Meditationsform der Klöster) im Klostergarten oder im Kreuzgang, an das `Beten mit den Füßen` beim Pilgern auf vielen Kilometern des Bernhardspfades. Und ich denke an die Geistliche Begleitung, die ich während meines Aufenthaltes dort   erfahren habe,  die mir gezeigt hat, dass ich im tiefsten Innern ein tief gläubiger, ein spiritueller Mensch bin! Kloster Lehnin ist für mich ein Ort der intensiven Auseinandersetzung mit Gott, aber auch mit mir selbst. Ein Ort der Kraft ein Ort der Geist und Seele öffnet und auch reinigt.“

 

Zur Autorin

Andrea Richter ist  Beauftragte für Spiritualität, Meditationsleiterin und Geistliche Begleiterin