Gender(-irr?)sinn

Gender(-irr?)sinn
mit Pastor Christian Rommert aus Bochum
07.08.2021 - 23:50

Was genau, liebe Zuschauer*innen – auweia das gibt Ärger - was genau ist eigentlich so schlimm daran, wenn ich das so sage: Zuschauer*innen. Ich versuche mir das nämlich gerade anzugewöhnen. Das mit dem hörbaren Gendersternchen. Auch wenn ich weiß – damit mache ich mich nicht nur beliebt.

Aber ich hab mich dafür entschieden, das in Zukunft mir anzugewöhnen. Auch wenn eine Mehrheit in der Gesellschaft wohl noch dagegen ist. Laut Umfragen. Und auch obwohl ich das selber erst sehr schwierig fand. Denn … als Pastor bin ich Vielredner. Und immer wieder gab es dann Menschen, die mich auf meine Fettnäpfe hingewiesen hat. Manchmal auch verurteilt. Sprachpolizisten – die haben mich so sehr genervt, ok Sprachpolizist*innen, also die haben mich so genervt, dass ich schon allein aus Trotz keine Lust hatte, das auch zu machen. Da sagte ich: Menschen mit Behinderungen und zack kam der Zeigefinger. Das heißt nicht so…! Diese Menschen haben keine Behinderung, sie werden behindert…! Musste ich lernen… Oder: da redete ich von Gott, dem Herrn… rumms… wieder falsch. Geht „Gott, der Herr“ nicht mehr? Aber wie spricht man Gott mit Sternchen? G*tt?

Irgendwann gingen sie mir auf den Keks diese Besserwisser*innen oder Besserwissenden. Aber als ich dann damit anfing, selbst zu gendern… bekam ich Prügel von der anderen Seite: „Das hat doch jahrhundertelang funktioniert. Musst Du unsere schöne deutsche Sprache so verhunzen?  Das ist doch total überflüssig! Du lässt Dich vor den Karren irgendwelcher Aktivisten spannen…“ Usw. 

Warum mache ich es trotzdem, liebe Zuschauer*innen? Nun, ich will mit meiner Sprache Menschen nicht ausgrenzen. Ich will Menschen nicht verletzen. Die Botschaft Jesu, die… die bezieht Menschen ein in diese große Vision von seinem neuen Reich. Gottes Liebe grenzt nicht aus. Sie ist inklusiv. Ein Grund für mich für das hörbare Gendersternchen. Natürlich hat Jesus damals nicht das Gendersternchen gesprochen. Aber: ihm ging es doch immer darum, die Ausgegrenzten einzuladen, einzuladen, mitzumachen in dem neuen Reich der Liebe Gottes. Und die Etablierten, die hat er ermahnt „So wie ihr von den Menschen behandelt werden möchtet, so behandelt auch sie!“, sagt er.

Also: „Liebe Zuschauer?“, als wenn Deutschland nur aus Männern besteht. Geht nicht! Grenzt aus! Richtiger wäre „Liebe Zuschauerinnen“, weil die Mehrzahl der Menschen, die um diese Uhrzeit zuschauen, Frauen sind. Aber letzten Endes auch nicht korrekt, weil auch Männer darunter sind und Menschen, die sich diesen beiden Lesarten nicht zuordnen lassen. Also: „liebe Zuschauer*innen“. Es gibt Männer, es gibt Frauen und es gibt Menschen, die sind divers.

Und jetzt? Ich höre schon das E-Mail Postfach klingeln… den einen geht das, was ich sage, nicht weit genug und anderen wieder viel zu weit… Und ja, ich weiß Bürger*innen*meister*innen*kandidat*in? Das hört sich wirklich schrecklich an, oder? Verbraucher*innenschützer*innen…  Ich weiß. Und trotz allem: Mir geht es nur darum, mir Mühe zu geben, irgendwie gerecht zu sein. Und mir ist es lieber, es hört sich etwas doof an, als dass ich jemanden ausgrenze. Ich will lernen, durch meine Sprache das Signal zu senden: ich sehe Dich, ich nehme Dich wahr, ich will, dass Du dabei sein kannst!  „So wie ihr von den Menschen behandelt werden möchtet, so behandelt auch sie!“ Für mich ist das mit dem gesprochenen Gendersternchen eine ganz praktische Umsetzung dieses großartigen Ansatzes Jesu. Also „Liebe Zuschauer*innen: ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sonntag“!