Buchmesse
Generalsuperintendent Ralf Meister
09.10.2010 21:05

Mein ältestes Buch. Es ist 1588 in Jena erschienen und es ist keine Bibel. Es sind Predigten. Predigen von Martin Luther. Predigten für den Hausgebrauch.

Martin Luther hatte sie drucken lassen, damit man auch zu Hause in den Familien die Bibel lesen, vor allem aber: sie auch auslegen konnte. Es war ein Hausbuch. Deshalb hieß dieses Buch auch "Hauspostille".

So wie Martin Luther es aufgeschrieben hat, würde man heute wohl kaum noch predigen: "Das sollen wir heute lernen, das unser HERR Gott seine Engel bestellt hat, das ein jeder Christ nit einen, sondern viel Engel hat, die ihn behüten, gleich wie auch ein jeder seine sondere Teufel hat, die ihm nachschleichen."

Damals war diese Sprache modern. Vor allem war sie deutsch, nicht Latein. Man konnte sie verstehen. Heute jedoch klingt vieles fremd und altmodisch.

Dieses Buch war eine Art Bestseller zu seiner Zeit.

Ich habe an dieses alte Buch gedacht, als ich von den über 100.000 Neuerscheinungen der Frankfurter Buchmesse gelesen habe. Tausende wunderbare Erzählungen, spannende Romane und interessante Sachbücher sind erschienen, – man wünscht sich Wochen des Lesens, die durch nichts abgelenkt sind.

Aber, was mir bei all den Neuerscheinungen auffällt: ein Hausbuch für die ganze Familie gibt es nicht mehr! Heute liest man ein Buch, ist fasziniert oder aufgeregt und empfiehlt es seiner Freundin, seinen Freunden; und dann landet es im Regal, neben den vielen anderen. Das war's. Ein Buch, das nicht nur ein paar Wochen auf dem Nachtisch liegt, sondern jahrlang immer und immer wieder gelesen wird, das ist selten.

Hausbücher waren und sind fast immer Bücher der Religion: die Bibel zum Beispiel. Oder es sind religiöse Auslegungen, so wie diese Hauspostille. Manchmal sind es auch Gebetbücher.

Solche Hausbücher sind Wegbegleiter – nicht für ein paar glückliche Lesetage, sondern für ein ganzes Leben. Und weil diese Bücher immer von Gott erzählten, wohnte Gott selbst mit diesen Büchern im Hause. Das war etwas anderes als die modernen Glückratgeber – nicht bloß Anweisung zum richtigen Leben, sondern Kontakt mit dem Ewigen – das hält länger.

Dafür standen die Hausbücher, dass wir von den uralten Geschichten hören, in denen sich Gott mit den Menschen verbündet. Das sind nicht nur schöne Geschichten, sondern Trostworte fürs Leben. Schutzzeilen der Bewahrung. So wie Martin Luther schreibt:
"Sollen auch gewiss wissen, das ein jeglicher Mensch einen eigenen Engel habe, der auff ihn siehet und umb ihn wachet."

Senderbeauftragte/r