Das Wort zum Sonntag: "Friedensmüde"
Pfarrer Ulrich Haag
24.11.2012 22:10

"Kind, am meisten wünsch ich mir, dass Frieden bleibt." Das war früher die Antwort meiner Oma, wenn ich sie einige Wochen vor Weihnachten brav gefragt habe, was sie sich wünscht.

 

Bis heute ist der Friede wohl das, was viele Menschen am meisten vermissen. Wir wünschen uns Frieden in der Familie, aber es gibt Streit. Wir wünschen uns Frieden im Betrieb, aber hintenrum wird geredet. Wir wünschen uns Frieden auf den Schulhöfen, aber die Jugendlichen gehen immer feindseliger miteinander um. Kein Friede. Nicht im Kleinen und nicht im Großen: Wir wünschen uns Frieden zwischen den Nationen. Und wir sehen, wie Raketen auf Tel Aviv niedergehen und Bomben auf Gaza fallen. Warum nur bekommen wir es nicht hin, in Frieden zu leben?

 

Weil er mühsam ist, der Friede. Wer einmal mit seinem Nachbarn im Streit gelegen hat, zum Beispiel wegen dem Schneeschippen auf der gemeinsamen Einfahrt, der weiß: Frieden zu halten ist schwer. Dazu muss ich nämlich auf den andern zugehen, obwohl ich eigentlich kein Wort mehr mit ihm reden möchte. Und wenn es drauf ankommt, muss ich klein beigeben und Kompromisse schließen, und das obwohl der andere auch noch den Anschein erweckt, er wäre wer weiß wie großzügig. Der Friede kostet Überwindung, er braucht Genügsamkeit und Geduld.

 

Aber die habe ich nicht immer. Im Gegenteil. Oft reitet mich der Teufel und ich denke, gut, wenn die anderen unbedingt Stress haben wollen, dann können sie ihn kriegen. Wie früher, auf dem Schulhof, als wir uns gekloppt haben. Damals hatten wir eine Lehrerin, die ging dazwischen. Deshalb war so eine Klopperei auch schnell beendet. Zwischen Erwachsenen ist das nicht so einfach. Es gibt Meinungsverschiedenheiten, die wachsen sich zum Streit aus, und Konflikte, die werden zum Krieg. Und es gibt Kriege, die gehen nie zu Ende. Die flammen immer wieder auf, wie der Krieg zwischen Israel und den Palästinensern. Drei, vier Generationen von Kindern sind nun zwischen diesen Fronten herangewachsen. Hass, Angst und Rachegedanken sind für viele von ihnen der seelische Normalzustand. Wenn es einmal so weit ist, ist das schlimm. Die verfeindeten Parteien sind mitunter so sehr im Krieg zu Hause, dass sie ihn geradezu brauchen. Frieden gibt es dann erst wieder, wenn alle Seiten erschöpft sind und kampfesmüde.

 

Wir sind aber nicht dazu gemacht, im Krieg zu Hause zu sein. Der Friede ist unsere Heimat. Wir sind nicht hier um zu kämpfen. Wir sind dazu da, um unsern Kindern ein zu Hause zu bauen – auf diesem schönen blauen Planeten. Er könnte das Paradies sein, wenn alle Frieden hielten. Könnte, wenn ...

 

Irgendwann vor ein paar Monaten habe ich angefangen, um Frieden zu beten. Nicht allgemein für den umfassenden Frieden, sondern für den kleinen Frieden, in meinem persönlichen Umfeld. Denn noch nicht einmal den bringe ich trotz allem guten Willen zustande. Ich habe angefangen, Gott darum zu bitten, dass er mir Wege zeigt, wie ich mit denen zurechtkomme, denen ich täglich begegne. Und dass er uns allen Freude am Frieden gibt. Ich habe gemerkt, dass mir, wenn ich mich an Gott wende, meine alltäglichen Auseinandersetzungen gar nicht mehr so wichtig erscheinen. Und dass es mir leichter fällt, zurückzustecken. Vielleicht wächst daraus etwas. Und vielleicht wächst aus dem kleinen irgendwann sogar ein größerer Friede.

 

 

 

Sendeort und Mitwirkende

Redaktion: Ute-Beatrix Giebel (SWR)